Ambitionen hat Álvaro (Javier Gutiérrez) jede Menge. Er will nicht einfach nur Bücher schreiben. Er will richtig hohe Literatur verfassen! Das Problem ist nur: Er hat so gar kein Talent dazu, verliert sich in seinen Geschichten in Banalitäten. Dass gleichzeitig seine Frau Amanda (María León) einen Bestseller herausgebracht hat, das wurmt ihn umso mehr. Als Juan (Antonio de la Torre), der seinen Schreibkurs leitet, ihn vor der gesamten Klasse runterputzt und ihm vorhält, er solle erst einmal etwas erleben, über das er schreiben kann, dämmert auch Álvaro, dass er etwas ändern muss. Also nimmt er sich eine neue Wohnung und beginnt, die Menschen in seinem Haus genau zu beobachten, zu belauschen und auszufragen. Schließlich sollen sie die Basis für sein lang ersehntes Buch werden.
Das Gefühl dürfte jeder schon einmal gehabt haben, der etwas zu Papier bringen soll: Du sitzt vor dem Rechner, starrst auf den Bildschirm, auf die große weiße Fläche … und nichts. Kein Wort, das dir einfällt, keine Inspiration, die dir zu Hilfe eilt. Also schreibst du irgendwas, nur um die schreckliche Leere vor dir zu füllen und von deiner eigenen Leere abzulenken. Es ist daher auch nicht sonderlich schwierig, Álvaro Mitgefühl entgegenzubringen, bei seinem verzweifelten Kampf gegen die eigene Talentlosigkeit. Zumindest anfangs. Denn El Autor geht im Anschluss einen etwas anderen Weg als zunächst gedacht.
Ein Traum bleibt ein Traum
Dramatisch bleibt der Film, der beim Toronto International Film Festival 2017 Premiere feierte und nun auch bei Netflix ins Programm aufgenommen wurde. El Autor erzählt die Geschichte eines Mannes, der einen großen Traum hat. Viele Filmen nutzen ein solches Szenario für Wohlfühlmomente, wenn Protagonisten alle Hindernisse überwinden. Eine echte Traumfabrik eben. Manuel Martín Cuenca, der hier Regie führte und das Drehbuch mitschrieb, ist da weniger entgegenkommend, weniger nett. So wie auch Álvaro nicht wirklich nett ist.
Javier Gutiérrez, bekannt unter anderem durch das spannende Krimidrama Mörderland – La Isla Mínima und den leisen Roadmovie El Olivo – Der Olivenbaum, zeigt hierbei einen bewundernswerten Mut zur Hässlichkeit. Sein verhinderter Schriftsteller ist einerseits eine erbärmliche, von Neid zerfressene Kreatur, die nichts auf die Reihe bekommt, ohne den Grund dafür zu verstehen. Interessant wird es jedoch in der zweiten Hälfte, wenn der talentfreie Autor sich nicht länger damit zufriedengibt, einfach nur das Leben der anderen zu klauen, sondern dieses auch noch zu manipulieren – zur Aufwertung seiner eigenen Geschichte.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht
El Autor verlässt dabei dann nach und nach die reinen Dramagefilde, baut immer mehr Humor ein. Doch dieser Humor ist ebenso hässlich wie seine zunehmend skrupellose Hauptfigur, der eigentlich egal ist, wie es anderen geht. Hauptsache er bekommt sein Buch und die Anerkennung, nach der er sich sehnt. Der Reiz dieser dunklen Tragikomödie liegt dann auch zu einem erheblichen Anteil darin, wie weit Álvaro bereit ist zu gehen. Selbst der Gang ins Thrillergenre scheint auf einmal möglich, leise Erinnerungen an den spanischen Kollegen Sleep Tight werden wach.
Es dauert allerdings eine Weile, bis El Autor in Fahrt kommt. Nacht der Etablierung des Themas lässt sich Cuenca viel Zeit damit, seinen Protagonisten in seine neue Rolle als Beobachter hineinzuschlüpfen. Ein bisschen zu viel Zeit vielleicht, die Geschichte des Films kommt parallel zu der des Buches nur schleppend voran. Zwischenzeitlich ist nicht einmal klar, worauf das Ganze überhaupt hinauslaufen soll, ob es eine Pointe gibt bei Álvaros Schreibversuchen. Doch wer dran bleibt, wird mit einem spannenden und wendungsreichen Endspurt belohnt, der zusammen mit den durchweg guten Leistungen der Schauspieler El Autor zu einem kleinen Geheimtipp im Streamingeinerlei macht.
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