Es hätte ein so schöner Tag werden können bei den Lotzmanns. Schließlich hat Annemarie (Gisela Schneeberger) Geburtstag! Dummerweise hat ihr Mann Hubert (Jörg Gudzuhn) das jedoch völlig vergessen. Und das obwohl extra ihre beiden Schwestern vorbeigekommen sind. Aber schöne Tage sind ohnehin selten geworden bei ihnen. Das Ehepaar lebt nur noch als Routine miteinander, das Verhältnis zwischen Hubert und seiner Tochter Bille (Eva Löbau) war auch schon mal besser. Als Hubert dann auch noch versehentlich Annemaries heißgeliebten Wellensittich einsaugt und damit den Staubsauger schrottet, ist ihre Geduld sowas von zu Ende. Zwei Stunden gibt sie ihm, um das Gerät wieder funktionstüchtig zu bekommen – und ahnt nicht, welche Welle sie damit unwissentlich lostritt.
Zuletzt ist es um Axel Ranisch ja ein bisschen ruhiger geworden im Kino, drei Jahre ist sein letzter Film Alki Alki inzwischen schon her. Untätig war der Regisseur, der mit Werken wie Dicke Mädchen und Ich fühl mich Disco zu einem der Vorreiter der deutschen Mumblecore-Bewegung wurde, in der Zeit aber sicher nicht. So drehte er zwei Folgen von Tatort, nahm sich mit Löwenzahn eines zweiten Fernsehurgesteins an, er inszenierte Opern und veröffentlichte dieses Jahr sogar seinen ersten Roman.
Ein verschwundener Bekannter ist wieder da
Mit Familie Lotzmann auf den Barrikaden folgt nun auch mal wieder filmischer Original-Nachschub. Ganz neu ist die Komödie um einen Familiengeburtstag, der immer weiter ausartet, jedoch nicht. Schon im Herbst 2016 war der Film auf den Hofer Filmtagen zu sagen. Nach einer erneuten Filmfest-Stippvisite – diesmal war das Filmfest Emden-Norderney an der Reihe –, folgt jetzt erst die lange geplante Auswertung im Fernsehen.
Das hört sich verdächtig nach Resteverwertung an, gerade auch, um das berüchtigte Sommerloch zu überbrücken. Geschadet hat die Wartezeit jedoch nicht. Im Gegenteil: Der Film, so altmodisch er in mancher Hinsicht auch sein mag, ist aktueller denn je. Sönke Andresen, der wie so oft bei Ranisch das Drehbuch geschrieben hat, beschreibt hierin eine kleinbürgerliche Familie, die sich verbissen an dem festhält, wie es früher war. Für Annemarie kommt kein anderer Staubsauger als der Fuzzbuster 500 ins Haus. Den hatte sie nämlich schon immer. Der Urlaub wird immer am selben Ort gemacht. Bille wiederum rebelliert gegen einen neuen Elektrogroßmarkt, der die kleinen Läden verdrängen wird.
Die ganze Gesellschaft in einer Familie
Angst vor Globalisierung ist ein Thema, die Sehnsucht nach vergangenen, besseren Zeiten, dazu gibt es kleine Ost-West-Konflikte, selbst für Sticheleien gegen Rassismus ist noch Platz: Was als gewöhnlicher Tag im Leben einer gewöhnlichen Familie beginnt, hat doch erstaunlich viele gesellschaftlich relevante Anknüpfungspunkte. Wirklich ausformuliert werden die aber nicht. Familie Lotzmann auf den Barrikaden hat selbst kein Interesse daran, auf die Barrikaden zu gehen. Es reicht dem Film ja schon, das Publikum zu unterhalten.
Der Humor selbst ist dann auch vergleichsweise harmlos, mit einer Vorliebe fürs Absurde jedoch. Es machte den Beteiligten sichtlich Spaß, eine normale Situation immer weiter eskalieren zu lassen, bis am Ende das ganz große Chaos steht. Weitestgehend überträgt sich dieser Spaß auch, selbst wenn nicht unbedingt jeder Gag sitzt. Familie Lotzmann auf den Barrikaden ist etwas zu sehr in die kauzigen Figuren im Loriot-Stil verliebt, schaut ihnen dabei zu, wie sie nicht wirklich etwas machen. An den Stellen schimmert dann doch das Improerbe durch, das sich lieber auf Schauspieler als auf Drehbücher verlässt. Ein bisschen mehr Biss wäre da ganz schön gewesen. Sympathisch ist die Komödie aber auch so.
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