Geniale Goettin
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Geniale Göttin – Die Geschichte von Hedy Lamarr

Geniale Goettin
„Geniale Göttin – Die Geschichte von Hedy Lamarr“ // Deutschland-Release // Kino: 16. August 2018

„Die Menschen sind unvernünftig, unlogisch und ich-bezogen.
Liebe sie trotzdem.

Wenn du Gutes tust, werden die Leute dir egoistische Hintergedanken unterstellen.
Tu trotzdem Gutes.

Die größten Menschen mit den größten Ideen können von den geringsten Menschen mit dem kleinsten Verstand vernichtet werden.
Strebe trotzdem nach Größe.

Was du über Jahre aufbaust, kann über Nacht zerstört werden.
Baue trotzdem.

Gib der Welt das Beste, das du hast, und man wird auf dir herumhacken.
Gib der Welt trotzdem das Beste, das du hast.“

Mit diesen letzten Worten verabschiedet sich Geniale Göttin – Die Geschichte von Hedy Lamarr. Letzte Worte, gesprochen von der Frau selbst, die in den 1940ern Weltruhm erreichte und als schönste Frau der Welt bezeichnet wurde. Letzte Worte von einem Menschen, der selbst nicht nur Schönes an der Welt gesehen hat und allen Grund gehabt hätte, verbittert zu sein. Der es vielleicht war, vielleicht auch nicht, der sich hinter vielen Gesichtern versteckte, echten wie künstlichen.

Wir haben sie alle, natürlich, diese verschiedenen Gesichter, die wir je nach Situation verwenden. Ein Gesicht für die Öffentlichkeit, eines für die Arbeit, für den vertrauten Kreis, die Partnerschaft, was auch immer gerade von uns erfordert wird oder uns sinnvoll erscheint. Für Schauspieler gilt das noch einmal verstärkt, da es doch das Geschäft der meisten von ihnen ist, immer wieder neue Seiten in sich zu entdecken und zu zeigen.

Sex Sells
Bei Hedy Lamarr war das so. Gleichzeitig aber auch wieder nicht. Schon der Name war nicht wirklich ihrer: 1937 hatte die jüdische Österreicherin das Land verlassen, ihre neue Identität sollte ihr helfen, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen, ihre unglückliche Ehe, den Skandalfilm Ekstase, in dem sie minutenlang nackt zu sehen war und einen Orgasmus vortäuschte. Aber auch in ihrer neuen Hollywood-Heimat wurde sie oft auf ihren Körper oder zumindest auf ihr Gesicht reduziert. Anstatt ihr Talent austesten zu können, wurde sie oft auf glamouröse oder exotisch-verführerische Rollen reduziert, unter anderem White Cargo, wo sie eine Eingeborene in Afrika spielen musste.

Diese Reduktion auf ein hübsches Dummchen war auch deshalb so tragisch, weil sie außerhalb der Studios durchaus ihren Geist einzusetzen verstand. Es soll sogar gerade die Langeweile durch die wenig fordernden Rollen gewesen sein, die sie dazu veranlasste, ihre Leidenschaft fürs Erfinden wiederaufleben zu lassen. Die hatte sie schon als Kind, gefördert durch den von ihr verehrten Vater. Eine Erfindung von ihr zur drahtlosen Datenübertragung war sogar tatsächlich revolutionär, auch wenn sie erst viele Jahre später zum Einsatz kam – im militärischen Umfeld aber auch im zivilen, etwa bei Wi-Fi und Bluetooth. Lamar selbst sah dafür jedoch weder Geld noch Anerkennung. Dabei hätte sie beides gut brauchen können, als ihr Stern rapide sank und ihre verwelkende Schönheit sie für Hollywood wertlos gemacht hatte.

Außergewöhnliches Leben, gewöhnliche Wiedergabe
Geniale Göttin – Die Geschichte von Hedy Lamarr klappert all diese Stationen ab, meist streng chronologisch, erzählt von ihrer doppelten Bedeutung als Schauspielerin und Erfinderin, spart aber auch den Privatmenschen nicht aus. Sechs Mal war sie verheiratet und fand doch nie ihr Glück, abgesehen von ihren beiden Kindern, die sie abgöttisch liebte. Die kommen hier ebenso zu Wort wie andere Menschen aus ihrem Umfeld, Kollegen oder auch Experten. Zusammen mit lange verschollen geglaubten Interviewaufnehmen wird so nach und nach ein Mosaik zusammengestellt, das voller Widersprüche ist und doch auch deshalb faszinierend.

Da macht es dann auch wenig aus, dass Regisseurin Alexandra Dean sich brav an jede Dokumentarfilmkonvention hält, die man sich vorstellen kann. Historische Aufnahmen wechseln sich mit den üblichen Talking Heads und Filmszenen ab, dann und wann um kleine Texttafeln ergänzt. Aufregend ist das nicht. Zudem neigt Geniale Göttin, wie so viele Künstlerdokus, dazu, die porträtierte Person wohlwollend darzustellen und Kontroversen zu vermeiden. Eine Mischung aus Bewunderung und Mitleid ist hier eindeutig vom Publikum eingefordert. Aber der Beitrag vom Jüdischen Filmfestival Berlin & Brandenburg 2018 ist eben auch fesselnd, gerade weil hier viele Fragen nicht ganz beantwortet werden, nicht beantwortet werden können.



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Als Hollywoodschönheit bekannt hatte Hedy Lamarr auch ganz andere Qualitäten und Seiten. Die Doku „Geniale Göttin“ versucht eben diese Bandbreite aufzuzeigen, vermischt Triumphe, Schicksalsschläge und überraschende Details zu einem Film, der trotz seiner recht konventionellen Machart einen faszinierend widersprüchlichen Blick auf eine Frau wirft, die jeder kannte und die gleichzeitig niemand kannte.