Ein goldener Sarg, hundert pinke Cadillacs, die vor der Kirche vorfuhren, dazu unzählige Prominente aus dem Showgeschäft und Politik – bei ihrer Trauerfeier wurde die kürzlich verstorbene Queen of Soul Aretha Franklin tatsächlich wie eine Königin gewürdigt. Man mag diesen Pomp angemessen finden oder nicht, er wirkt schon ein wenig absurd, wenn man sich am selben Tag It Must Schwing – The Blue Note Story anschaut. Erfährt, unter welchen unwürdigen Bedingungen schwarze Künstler vor noch wenigen Jahrzehnten auftreten musste. Billie Holiday, so verrät der Dokumentarfilm beispielsweise, musste in den 1950ern noch den Frachtenaufzug nehmen, wenn sie mit dem Orchester von Artie Shaw auftreten wollte. Und das in New York, dem noch liberalsten Ort der USA.
Musikgeschichte und Gesellschaftsporträt
Vorrangig ist It Must Schwing, der Untertitel verrät es bereits, ein Film über das legendäre Jazz-Label Blue Note. Viele große Künstler haben dort Alben veröffentlicht, Miles Davis beispielsweise oder auch Herbie Hancock. Doch die Doku ist noch mehr als das. Als Alfred Lion und Francis Wolff 1939 aufgrund ihrer jüdischen Abstammung Nazi-Deutschland verlassen mussten und in den USA ein neues Leben suchten, sollen sie in den dort verfolgten Schwarzen Leidensgenossen gesehen haben, so heißt es. Sich derart stark um schwarze Künstler zu bemühen, ihnen eine Bühne geben zu wollen, das war dann eben nicht nur ein musikalischer Verdienst, sondern auch ein gesellschaftlicher.
In It Must Schwing, das auf dem Filmfest München 2018 Premiere feierte, kommen daher viele Themen zusammen, die für sich genommen schon interessant wären. Regisseur Eric Friedler erzählt beispielsweise viel aus dem privaten Leben von Lion und Wolff, von der Flucht über persönliche Anekdoten bis zu den Erfolgen. Er erzählt von den Künstlern, die auf Blue Note ihre Musik veröffentlichen. Er erzählt von der Zeit, in der das geschah, von den Rahmenbedingungen. Die Marschrichtung ist dabei grob chronologisch. Der Film lässt es sich aber nicht nehmen, dabei immer wieder kleine Nebenwege einzuschlagen.
Ein Fest für die Ohren
Das ist vor allem für Jazz-Liebhaber ein Fest, da sich auch einige Künstler aus längst vergangenen Zeiten vor der Kamera tummeln. Manche davon sind real, andere nachgestellt. It Must Schwing verzichtet dabei jedoch auf das übliche Reenactment, wenn Dokumentarfilme historische Szenen durch Schauspieler verdeutlichen wollen. Stattdessen kommen hier Animationssequenzen zum Einsatz. Die sind durch den Verzicht auf Farbe recht atmosphärisch. Allerdings sind die Figuren schon eher grob modelliert. Ein wirklicher Genuss ist es nicht, diese Szenen anzuschauen.
Aber es kommt hier ja ohnehin mehr auf das Hören an, wenn bekannte und weniger bekannte Stücke auf uns warten. Sicher wäre es schön gewesen, noch mehr historische Aufnahmen geboten zu bekommen. Aber auch so ist It Must Schwing – The Blue Note Story ein nostalgisches, vielleicht etwas verklärendes Vergnügen, das mit großen Stimmen und spannenden Geschichten fesselt.
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