Alice (Alexis Kendra) hat ein Problem. Ein großes Problem sogar. Michael (Stelio Savante). Sie liebt ihn. Und er liebt sie, davon zumindest ist sie überzeugt. Nur liebt er leider auch seine Frau. Und so sehr Alice es sich auch einreden will, so weiß sie doch, dass er sie wohl niemals verlassen wird. Nachdem auch ihr Besuch bei einer Selbsthilfegruppe nicht den erhofften Erfolg hat, braucht sie anderweitig Gesellschaft. Warum nicht Shelly (Rachel Alig) fragen, ob sie zum Abendessen bleiben mag? Die ist zwar eigentlich ihre Putzfrau und trägt auch scheußliche Brandnarben im Gesicht. Aber sie ist nett. Und nett ist gut. Weniger gut ist aber, dass die so unscheinbare Frau das eine oder andere Geheimnis mit sich herumschleppt.
Dass es in The Cleaning Lady irgendwann ein bisschen heftiger zugehen wird, das verrät bereits ein Blick auf das Plakat: Das gelungene Artwork zeigt eine Putzkraft, die einen blutroten Schatten wirft. Es ist auch nicht so, als würde der Film groß verheimlichen wollen, dass Shelly irgendwo großen Schaden genommen hat. Ein derart verunstaltetes Gesicht, das muss ja eine tragische Vorgeschichte haben. Und da wir uns hier im Genrekino bewegen, gibt es das tragische Nachspiel oben drauf.
Die Geheimnisse einer Freundschaft
Weshalb Alice einen derartigen Narren an der missgestalteten Fremden gefressen hat, wird jedoch nicht ganz klar. Eine wirklich gewinnende Persönlichkeit hat sie schließlich nicht. Wie auch, wenn sie schon auf die einfachsten Fragen einfach keine Antwort herausgedrückt bekommt, so als würde sie kein Wort Englisch sprechen? Die Schöne im Biest sieht anders aus. Möglich, dass Alice Mitleid hat mit der hässlichen Kreatur. Vielleicht will sie auch ihr Gewissen beruhigen, das aufgrund ihrer Liebessucht und der Affäre etwas in Mitleidenschaft gezogen wurde. Oder sie brauchte einfach die Gesellschaft. Denn von der hat sie nicht sehr viel, trotz ihrer Schönheit.
Aber auch wenn das anfängliche Szenario die eine oder andere Frage offen lässt, so ist doch gerade die allmähliche Annäherung der beiden so unterschiedlichen Frauen das Herzstück des Films. Beide sind sie auf ihre Weise kaputt, auch wenn das von Barbieschönheit gezeichnete Leben von Alice erst einmal nicht danach aussieht. Wenn Alexis Kendra, die gemeinsam mit Regisseur Jon Knautz das Drehbuch schrieb, hier jemanden verkörpert, der eigentlich alles haben sollte, aber doch nicht glücklich ist, dann wird das zu einem reizvollen Zusammenspiel mit dem hässlichen Hauch von Nichts, das ihr gegenübersitzt.
Packt das Schlachtermesser aus!
Natürlich bleibt es jedoch nicht bei einer leisen Freundschaft. Das wissen wir schon seit der Einleitungssequenz, die ebenso überraschend wie blutig ist. Größere Überraschungen bleiben später jedoch aus. Zum einen verrät The Cleaning Lady schon relativ früh, was genau mit Shelly nicht stimmt. Zum anderen ist es nicht unbedingt originell, was sich das Drehbuchduo für die bemitleidenswerte Zweitprotagonistin ausgedacht hat. Aber es ist doch ganz spannend umgesetzt, wie die Ausgestoßene Gefallen daran findet, Teil eines anderen, eines normalen Lebens werden zu wollen und sich immer mehr davon zu nehmen.
Während die langsame Annäherung und die zunehmende Intensivierung sehenswert sind, schießt der Beitrag vom Fantasy Filmfest 2018 zum Schluss übers Ziel hinaus. So als hätte der Film Angst, dass das gemächliche Tempo das Zielpublikum langweilen könnte, wird dann noch einmal richtig dick aufgetragen. Gebraucht hätte es das nicht, zumal die psychologische Komponente doch recht bemüht ist. Sprich: Es gibt nicht wirklich einen Grund dafür, warum passiert, was passiert. Statt perfidem Psychoterror wird das Schlachtermesser ausgepackt. Kann man machen. Richtig spannend ist das Ergebnis jedoch nicht.
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