Violet Evergarden
© Kana Akatsuki, Kyoto Animation / Violet Evergarden Production Committee

Violet Evergarden

Violet Evergarden Vol 1
„Violet Evergarden“ Deutschland-Release // Netflix: ab 11. Januar 2018 // DVD/Blu-ray: ab 10. August 2018 (4 Volumes)

Der Krieg ist endlich vorbei! Während das für die meisten Menschen eine gute Nachricht ist, bedeutet das für Violet erst einmal eine große Umstellung. Bislang kannte sie das Leben abseits des Schlachtfeldes nicht. Alles, was sie kannte, war als Soldatin Befehle anzunehmen. Und das ist nicht das einzige, was sie verloren hat: Ihre Hände mussten nach einer schweren Verletzung durch künstliche ersetzt werden. Anfangs hat sie ihre lieben Probleme, mit den neuen Fremdkörpern umzugehen. Doch nach einer Weile werden die metallenen Finger zu einer echten Stärke, erlauben sie ihr doch, als professioneller Briefeschreiberin für die Analphabeten ihrer Zeit so schnell zu tippen wie niemand sonst. Nur mit dem Inhalt hat sie noch immer ihre Schwierigkeiten, vor allem wenn Gefühle ins Spiel kommen. Dabei würde sie diese so gern verstehen, würde auch gern verstehen, was der Major mit seinen letzten Worten meinte, bevor sie ihn im Krieg aus den Augen verlor.

Wenn es läuft, dann läuft es. Aktuelles Beispiel ist Violet Evergarden, das gerade von Medium zu Medium weitergereicht wird. Zunächst als Roman konzipiert, gewann Kana Akatsuki 2014 mit ihrem Werk den Hauptpreis bei den Kyoto Animation Awards. Daraufhin wurde dieses zu einer Light Novel umgewandelt, Anfang 2018 folgte schließlich die Animeserie, die hierzulande bei Netflix als Simulcast lief. Und damit ist noch nicht Schluss, 2020 soll sogar ein Kinofilm folgen, der die Geschichte der gefühlsagnostischen Briefeschreiberin fortsetzt.

Krieg, Sprache, Emotionen
Zum Teil ist das auch durchaus gerechtfertigt, zumindest das Szenario als solches ist in dem Meer aus Lookalike-Light-Novels mal etwas anderes. Sicher, Soldaten, die nur ihre Pflicht kennen und nun verstehen müssen, dass auch sie Gefühle haben, die hat es immer mal wieder gegeben. Dass hier eine junge Dame diese Rolle übernimmt, ändert nur wenig daran. Auch der Verlust ihrer Hände und der Ersatz durch metallene Prothesen hat kaum Einfluss auf die grundsätzliche Handlung. Die anfängliche Ungeschicklichkeit ist schnell abgelegt, danach sieht man höchstens noch, wie die künstlichen Finger in einem Affenzahn über die Tasten gleiten.

Wichtiger ist Violet Evergarden aber ohnehin das, was man nicht sieht: Gefühle und Worte. Der interessanteste Aspekt der Serie befasst sich dann auch mit der Beziehung zwischen den beiden. Das erinnert ein wenig an das preisgekrönte Drama Her, in dem Joaquin Phoenix einen solchen beruflichen Briefeschreiber spielte. Während dieser aber versteckte Gefühle entdeckte und greifbar machte, ist Violet das genaue Gegenteil. Sie versteht nicht, was ihre Kunden mit ihren Worten eigentlich ausdrücken wollen, versteht nicht, dass der Gebrauch von Sprache mehr ist als reine Informationsvermittlung.

Vorsicht, Gefühlsoverkill!
Als Szenario hätte das durchaus Potenzial gehabt: Ein Mensch muss lernen, zwischen den Zeilen zu lesen und Nuancen zu erkennen. Bedauerlicherweise verzichtet Violet Evergarden selbst aber auf jegliche Nuancen. Dass Animes ganz gerne mal den emotionalen Vorschlaghammer herausholen, ist bekannt, siehe etwa die Werke von Mari Okada (Black Rock Shooter, Selector Infected WIXOSS). So übel wie hier wird es glücklicherweise aber nur selten. Die Serie suhlt sich geradezu in seinen Gefühlen, wird viel zu oft plakativ, wo es Nachdenklichkeit gebraucht hätte, gibt sich anspruchsvoller, als es ist, ersäuft das Publikum dann auch noch in einer aufdringlich-melodramatischen Musik, um auch ja sicherzugehen.

Phasenweise wird die plumpe Manipulation durch die Optik wieder ausgeglichen. Während die Figurendesigns sich nicht vom Standard zu entfernen trauen, sind die Hintergründe sehr schön anzusehen. Das ist keine Überraschung, Kyoto Animation (Love, Chunibyo & Other Delusions!, A Silent Voice) gehört in dem Bereich sicher zu den profiliertesten Animationsstudios Japans. Die zunächst angedeuteten Steampunk-Elemente werden zwar schnell wieder fallengelassen. Stattdessen gibt es viktorianische Noblesse mit ausschweifenden Kleidern, riesigen Sonnenschirmen und verwinkelten Gärten – mit dem einfachen Volk gibt sich Violet Evergarden kaum ab. Oder etwas, das einem normalen Leben nahekommt. Am ehesten werden hier daher Liebhaber gefühlsbetonter Kostümfilme glücklich, bei denen gerne mal dicker aufgetragen werden darf. Die philosophischen Anleihen spielen hingegen ebenso wie das Kriegsumfeld keine größere Rolle, was anfänglich nach einer spannenden Mischung aussah, verkommt so im Laufe der 13 Episoden zu dem üblichen 08/15-Kitsch.



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Eine ehemalige Soldatin versucht sich als berufliche Briefeschreiberin, kommt aber weder mit Worten, noch mit Gefühlen zurecht. Anfangs ist „Violet Evergarden“ interessant und vielversprechend, kombiniert Kriegsszenario mit Steampunk-Anleihen und Ausführungen zu Sprache. Später spielt all das jedoch keine Rolle mehr, wenn begleitet von melodramatischer Musik vor allem auf Kitsch gesetzt wird. Wer diesen mag, hat hier seine Freude, der Rest darf immerhin stimmungsvolle Hintergründe anschauen.
5
von 10