Vollblueter

Vollblüter

Vollblueter
„Vollblüter“ Release // Kino: 9. August 2018

So richtig viel haben Lily (Anya Taylor-Joy) und Amanda (Olivia Cooke) in den letzten Jahren  nicht mehr miteinander zu tun gehabt. Aber Freundschaften lassen sich ja auffrischen, gerade auch wenn Eltern ihre Finanzmuskeln spielen lassen. Nicht dass die beiden viel auf ihre Eltern geben würden. Lily ist vor allem ihr Stiefvater Mark (Paul Sparks) ein ziemliches Dorn im Auge, der die Meinung vertritt, alles in ihrem Leben bestimmen zu dürfen. Während sie die Konfrontation scheut, ist Amanda da deutlich skrupelloser. Sie hat sogar schon einen Plan, wie sie sich den Widerling vom Hals halten können.

Vollblüter ist einer dieser Filme, bei denen man schon nach einigen Minuten weiß, dass einen etwas ganz Besonderes erwartet. Sicher, Filme über Teenager sind nicht gerade eine gefährdete Spezies. Dass Menschen nicht automatisch gut sind, nur weil sie jung und schön sind, aus gutem Hause stammen, auch das haben wir schon oft genug beobachten dürfen. Und doch ist das hier etwas anders, seltsamer, bissiger, als wir es gewohnt sind. Manchmal auch erschreckender.

Wo sind nur die guten Menschen hin?
Sie sei kein schlechter Mensch, sagt Amanda zu Beginn des Films. Sie habe nur keine Gefühle. Das glaubt man ihr aufs Wort: Olivia Cooke (Ready Player One) verkörpert ihre Figur nicht als jemand, der grausam ist, Leuten unbedingt schaden will. Sie sind ihr nur egal. So wie ihr alles egal ist, was um sie herum passiert. Das macht sie nicht unbedingt sympathisch und ist doch keine typische Gegenspielerin, wie wir sie sonst aus Teenie-Thrillern kennen. Allein schon, weil hier klassische Helden fehlen.

Anfangs sieht es noch so aus, als könne Lily diese Rolle übernehmen. Sie ist beliebt, erfolgreich, hilfsbereit, also alles, was Amanda nicht ist. Und doch sind die zwei sich ähnlicher, als es zunächst den Anschein hat. Denn je mehr wir sie kennenlernen, umso größer werden die Abgründe hinter der Fassade: Anya Taylor-Joy (Split) spielt mit Zurückhaltung, einer fröhlich-adretten Maske, lässt nur vereinzelt durchblitzen, mit wem wir es hier zu tun haben. Wenn die beiden zusammenkommen, dann bedeutet das, das jeweils Schlechteste aus dem anderen herauszuholen, Grenzen auszuloten. Eine Eskalation, die langsam ist, unaufgeregt, dafür aber umso intensiver.

Erschreckend komische Begegnung
Das ist teilweise sehr komisch, gerade auch durch das Spiel mit den Kontrasten und weil die Geschichte sich nicht ganz an Erwartungen hält. Teilweise ist es furchteinflößend. Das Grauen wird immer größer, unterstützt durch eine schön unangenehme Musik und ein wunderbares Sounddesign, das in dem banalsten Alltag Horror entdeckt. Es bleibt einfach offen, worauf das Ganze hinausläuft, wie weit die beiden gehen werden bei ihren Egotrips. Vollblüter, das beim Sundance Filmfestival 2017 seine Premiere feierte, bezieht daraus dann auch seine Spannung.

Die unheimliche Atmosphäre kann zuweilen zudem leicht surreale Töne annehmen. Ursprünglich war Vollblüter als Theaterstück angedacht. Daraus wurde zwar nichts, die Einflüsse sind aber dennoch zu spüren. Außer den beiden Protagonistinnen und ihrem gemeinsamen Feind ist praktisch niemand zu sehen. Über die Erwachsenen wird zwar gesprochen, eine Rolle spielen sie jedoch nicht. Lediglich Anton Yelchin, der hier kurz vor seinem tragischen Unfall einen erbärmlichen Möchtegernkriminellen spielt, hat noch ein bisschen was zu tun. Auch dadurch wirkt die Welt von Amanda und Lily losgelöst von der realen Welt, ein Traumreich zwischen Rassepferden, Sonnenbank, riesigen Schachfiguren, in der es alles gibt, nur keine Menschen. Und eben auch keine Menschlichkeit.



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Wenn in „Vollblüter“ zwei Kindheitsfreundinnen aufeinandertreffen, dann ist das weniger etwas fürs Herz. Teilweise komisch, dann auch furchteinflößend, zwischendrin surreal erzählt der Film die Geschichte zweier Jugendlicher, die weder Gefühle noch Skrupel kennen. Das ist spannend, auch weil lange unklar ist, wie weit die zwei gehen werden. Unterstützt wird die unheimliche Atmosphäre zudem von einer fremdartigen Soundkulisse wie aus einem Horrorfilm.
8
von 10