Wie der Vater
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Wie der Vater

Wie der Vater
„Wie der Vater …“ Release // Netflix: 3. August 2018

Das hatte sich Rachel (Kristen Bell) ja irgendwie alles etwas anders vorgestellt. Es hätte der schönste Tag in ihrem Leben werden sollen, stattdessen wurde es zu einem Desaster. Am Traualtar sitzengelassen zu werden, das ist hart. Und das bloß, weil sie ihre Arbeit nicht pausieren wollte, nicht einmal bei der Hochzeit. Der zweite Schock ist, als sie im Publikum ihren Vater Harry (Kelsey Grammer) entdeckt, der die Familie verlassen hat, als sie noch ein Kind war – ebenfalls der Arbeit wegen. Nachzuholen gibt es also mehr als genug. So ergibt eines das andere, aus einem Bier werden viele. Und ehe sie es sich versehen, landen die beiden auf dem Kreuzfahrtschiff, auf dem Rachel eigentlich ihre Flitterwochen hatte verbringen wollen.

Anscheinend hat man bei Netflix Gefallen daran gefunden, auf humorvolle Weise Familienmitglieder wieder zueinanderfinden zu lassen. Erst erzählte Die Woche von den turbulenten Vorbereitungen einer Hochzeit, dann versuchte in Das Vermächtnis des Weißwedelhirschjägers ein Vater die Gräben zu seinem Sohn zu überbrücken, zum Schluss gab es Vater des Jahres, das ebenfalls von einer schwierigen Vater-Sohn-Beziehung erzählt. Da passt Wie der Vater … natürlich gut ins Programm. Und das nicht nur thematisch, sondern auch qualitativ. Leider.

Wie der Ehemann?
Neugierig durfte man im Vorfeld ja schon sein, immerhin gibt hier Lauren Miller Rogen ihr Regie- und Drehbuchdebüt bei einem Spielfilm. Bislang war sie in erster Linie als Schauspielerin aufgetreten, von einigen Kurzfilmen abgesehen. Anderen war sie vielleicht auch als Ehefrau von Seth Rogen ein Begriff, der hier eine Nebenrolle übernimmt. Wer angesichts der Familienverhältnisse eine etwas derbere Komödie erwartet – Seth hatte schließlich bei Filmen wie Das ist das Ende oder Sausage Party – Es geht um die Wurst mitgeschrieben –, der sieht sich jedoch getäuscht. Peinliche Situationen gibt es in Wie der Vater … kaum, lässt man einmal diverse grausame Karaoke-Momente außer Acht.

Das ist einerseits sympathisch, nicht jeder Witz muss gleich im Klo landen. Das Problem ist nur: Rogen fiel auch keine echte Alternative dazu ein. Ein Großteil des Films spielt auf dem Schiff, lässt uns vielen Passagieren begegnen, von denen aber keiner tatsächlich die Beschreibung „interessant“ verdient hätte. Es gibt keine neuen Einblicke, keine lustigen Anekdoten, keine tatsächlichen Gags, sondern einfach irgendwelche Fremden, die an Bordaktivitäten teilnehmen. Wie der Vater … verpasst es dabei, eine Begründung mitzuliefern, sich das anschauen zu wollen.

Ein Film als Gegenentwurf zur Überarbeitung
Während das alles vor schönen Kulissen vor sich hinplätschert, liegt das Augenmerk aber ohnehin auf dem Vater-Tochter-Gespann. Die Möglichkeit, ihr Debüt wenigstens an dieser Stelle ein bisschen Leben einzuhauchen, lässt Rogen aber ebenso ungenutzt. Die Idee, dass Vater wie Tochter arbeitssüchtig sind und dadurch ihre jeweiligen Leben versauen, die hat etwas, ist eine dankbare Vorlage für das Dauerbrennerthema Life-Work-Balance. Daraus jedoch nur den Schluss zu ziehen „Arbeite nicht so viel!“, das ist dann doch etwas wenig. Bei aller Sympathie für die Reduktion von Arbeit, da hätte schon mehr Arbeit in den Film investiert werden dürfen oder müssen.

Es mangelt Wie der Vater … aber nicht nur an Witz und Ambition, er lässt einen auch noch völlig kalt. Die Konflikte zwischen Vater und Tochter werden zwar regelmäßig thematisiert, ohne dass daraus etwas emotional Zwingendes entstehen würde. Geradezu gleichgültig gehen die beiden damit um, dass sie sich viele Jahre nicht gesehen haben, sich nicht gesprochen haben. Und auch die Annäherung wird mehr oder weniger achselzuckend angenommen. Leise, herzerwärmende Momente? Die gibt es nicht. Zum Ausgleich versucht Rogen zwar, doch noch ein bisschen Dramatik ins Spiel zu bringen und das vor sich hindösende Publikum wieder zu packen. Überzeugend sind diese Last-Minute-Anstrengungen aber nicht, eher Pflichtübungen, so wie Rogen allgemein hier brav eine To-do-Liste abhakt. Kann man machen, größere Fehler vermeidet die Nachwuchsfilmemacherin auf diese Weise. Nur hat ihr Debüt dann eben auch den Charme von Massentourismus und ist ebenso künstlich und schnell vergessen wie das Rahmenprogramm der Animateure.



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Eine Frau wird am Altar stehengelassen und geht stattdessen mit ihrem entfremdeten Workaholic-Vater auf Kreuzfahrt: Das hat als Szenario durchaus Potenzial. „Wie der Vater …“ weiß aber nichts damit anzufangen. Die Komödie vermeidet zwar gröbere Fehler. Dafür fehlt ihr selbst eine Menge: tatsächliche Witze, interessante Figuren, Ambitionen und Herz. Da ist ein ausgedehntes Nickerchen auf dem Sonnendeck produktiver.
4
von 10