Eigentlich war Komponist Wiktor (Tomasz Kot) nur auf der Suche nach talentierten Sängern, als er 1949 durch Polen reist. Doch er fand deutlich mehr. Beim ersten Anblick von Zula (Joanna Kulig) ist es um ihn geschehen, er ist fasziniert von ihrer rebellischen Art wie auch von ihrem Gesang. Bald darauf werden die beiden zum Paar und bleiben es auch, als das Ensemble durch das Land tourt und dabei immer mehr für politische Zwecke eingespannt wird. Gemeinsam wollen die beiden einen Auftritt in Ostberlin nutzen, um zu fliehen und im Westen ein neues Leben zu beginnen. Doch es kommt anders.
Das polnische Kino findet ja auf der weltweiten Filmbühne eher selten viel Beachtung. Eine große Ausnahme war Ida, das vor einigen Jahren die Geschichte einer Nonne in den 1960ern erzählte. Nicht nur, dass das Drama einen Oscar als bester fremdsprachiger Film einheimste – der erste polnische Film, dem das gelang –, es war darüber hinaus auch für die beste Kamera nominiert. Auch sonst gab es jede Menge Preise, besonders beim Europäischen Filmpreis, wo es Auszeichnungen für den besten Film, die beste Regie und das beste Drehbuch hagelte.
Eine große Geschichte im kleinen Rahmen
Entsprechend groß waren die Erwartungen an Regisseur und Co-Autor Pawel Pawlikowski, als der sich dieses Jahr bei den Filmfestspielen von Cannes mit einem neuen Werk zurückmeldete – nach fünfjähriger Funkstille. Die Chancen stehen gut, dass der polnische Filmemacher auch bei der nächsten Runde der Oscars ein Wörtchen mitzureden hat. Die Kritiken sind erneut hervorragend, Cold War hat jede Menge zu erzählen und noch viel mehr zu zeigen.
Erneut darf Kameramann Łukasz Żal die Geschichte in bestechenden Schwarzweißbildern zeigen, die hier zu einem quasi quadratischen Format verengt wurden. Das bedeutet dann zwar weniger Details. Und doch kann man sich kaum sattsehen an den kunstvollen Aufnahmen, seien sie nun aus der polnischen Provinz oder dem Großstadtglamour von Paris, wo Cold War über längere Zeit spielt. Über viele Jahre ist das Geschehen angelegt, zeigt dabei nicht nur die auf-und-ab-Beziehung der beiden Protagonisten, sondern erzählt auch einiges über das Leben während des Kalten Krieges.
Tragikomik einer schwierigen Epoche
Das kann manchmal kurios bis bizarr sein, wenn das besagte Ensemble auf einmal politische Volkslieder singen soll. Es ist erschreckend, schließlich bedeuten die Fluchtversuche von Wiktor eine akute Lebensgefahr. Vor allem ist Cold War aber tragisch. Denn im Mittelpunkt steht hier eine Liebesgeschichte um zwei Leute, die einander brauchen, aber nicht so recht miteinander können. Der deutsche Untertitel Der Breitengrad der Liebe ist dabei ein wenig schwülstig geraten, wird dem Film auch nicht wirklich gerecht. Die europäische Coproduktion ist eben nicht Kitschkino, sondern im Gegenteil sehr unterkühlt, geradezu distanziert, schlachtet die Gefühle nicht aus, hinterlegt die Szenen nicht mit einem überlebensgroßen Streicherscore.
Stattdessen: kleine Szenen, oft ohne Zusammenhang. Was in den Zwischenjahren geschehen ist, die hier nur per kurzer Texteinblendung überbrückt werden, das muss sich das Publikum schon selbst zusammenreimen. Gerade einmal anderthalb Stunden dauert Cold War, da ist für große Erklärungen kein Platz. Das wird nicht jedem gefallen, genauso wenig Zula, die eine faszinierend unnahbare und schwierige Protagonistin ist – zu abweisend, zu harsch, als dass das übliche Romanzepublikum da mitfiebern dürfte. Und doch unterstreicht das die Wirkung des Films: Eben weil das Schöne und das Hässliche hier so eng beieinander liegen, formale Strenge und ungefilterte Emotion, ist die Geschichte einer schwierigen Liebe einer der spannendsten, die zuletzt auf der großen Leinwand zu sehen war.
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