Florence Green (Emily Mortimer) hat einen Traum: Sie möchte einen Buchladen eröffnen. Solch ein Unterfangen ist in einem englischen Kleinstädtchen Ende der 1950er-Jahre schwierig genug, doch trotz aller ihr in den Weg gelegten Steine gibt sie nicht auf, bis ihr Buchladen letzten Endes eine etablierte Institution in Hardborough ist. Dies passt einigen Mächten im Hintergrund allerdings überhaupt nicht, weshalb Violet Gamart (Patricia Clarkson) heimlich daran arbeitet, dem Traum ein jähes Ende zu setzen.
Der Buchladen der Florence Green hätte mit der Eröffnung desselben beginnen sollen. Kein Film mit einer Laufzeit von 113 Minuten kann es sich erlauben, einen halbstündigen Leerlauf zu enthalten. Der Szenenaufbau der ersten dreißig Minuten lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
1. Florence geht irgendwo hin. (optional)
2. Florence ist irgendwo.
3. Florence redet mit jemandem.
4. Das Gespräch wird entweder in einer Nahen oder mittels eines Schuss-Gegenschuss-Verfahrens gezeigt.
5. Das Gespräch hat eine marginale Auswirkung auf den restlichen Verlauf des Films und hätte weggelassen werden können.
6. Szenenwechsel. Starte bei 1.
Sind wir bald da?
Während mit Florence‘ Problemen bei ihrem Vorhaben, einen Buchladen zu eröffnen, sicher ein sinnvoller Grundstein für den Film hätte gelegt werden können, verliert sich Regisseurin und Drehbuchautorin Isabel Coixet viel zu sehr in der Vorbereitung der Dinge, die da noch kommen mögen. Gegen Ende des Films erschließt sich der Sinn des Einstiegs zwar und man versteht, was versucht wurde, doch das ändert nichts daran, dass der Beginn dröge umgesetzt ist. Inhaltlich hätte man das alles in unter fünf, wahrscheinlich sogar in unter zwei Minuten abhandeln können und die gleichen Auswirkungen auf den Rest erzielt. Eventuell hätte man sogar mehr Vertrauen in die Kombinationsfähigkeit des Publikums setzen und den Anfang komplett streichen können: Alles was in der ersten halben Stunde passiert, wird im weiteren Verlauf noch mal in Form von – natürlich – Dialog aufgenommen, was einem aufmerksamen Zuschauer gewisse Rückschlüsse erlaubt.
Wie bereits angedeutet, ist von der Bildgestaltung am Anfang nicht viel zu erwarten. Dies bessert sich zwar etwas, sobald der Film sich von der dargelegten Szenenschablone löst, dennoch bleibt der Kinofilm Der Buchladen der Florence Green technisch fast durchgehend auf Fernsehniveau. Nach etwa einer halben Stunde also ist der Laden endlich eröffnet und die Geschichte kann beginnen. Nicht nur werden die Kameraeinstellungen variantenreicher, auch inhaltlich geht es voran. Das Auftreten von dem durch Bill Nighy verkörperten Eigenbrötler Edmund Brundish, trotz Einsamkeit distinguierter Gentleman durch und durch, stellt gewissermaßen einen Wendepunkt dar. Das liegt nicht nur an der Chemie zwischen ihm und Mortimer, sondern auch an Nighys hervorragendem Spiel, mit welchem er Brundish – der nur Bücher mag, keine Menschen – zu einem greifbaren Charakter macht, der dem Film mehr Tiefe gibt, als das Drehbuch vorgesehen hat. Nighy gewährt gleichermaßen einen Einblick, wie der gesamte Film hätte sein sollen, denn auch wenn Coixet ein anstrengendes Pacing vorlegt, kann sie nicht vollends vertuschen, dass Der Buchladen der Florence Green mit seinen verschiedenen Themen ein starkes Potenzial bietet, das außer Nighy aber wohl niemand zum Vorschein bringen konnte.
Ein gutes Thema, schlampig verarbeitet
Wer sich vom holprigen Einstieg nicht abschrecken lässt, wer in der Lage ist, zu sehen statt zu schauen, den erwartet in Der Buchladen der Florence Green eine interessante Auseinandersetzung mit einem Phänomen, das dem „American Dream“ mehr als nur ähnelt. Umso ärgerlicher ist es dann aber, dass genau diese Geschichte nicht richtig erzählt ist, dass belangloses Gelaber im Vordergrund steht und dass das durchaus gelungene Ende seine Wirkung durch die nicht unbedingt stümperhafte, aber allemal unzureichende Vorarbeit nicht entfalten kann. Der Buchladen der Florence Green hätte ein guter bis sehr guter Film mit tiefgründiger Botschaft sein können, dümpelt durch einige nicht nachvollziehbare Fehlentscheidungen nun allerdings gerade so oberhalb des Durchschnitts herum.
OT: „The Bookshop“
Land: UK
Jahr: 2017
Regie: Isabel Coixet
Drehbuch: Isabel Coixet
Vorlage: Penelope Fitzgerald
Musik: Alfonso de Vilallonga
Kamera: Jean-Claude Larrieu
Besetzung: Emily Mortimer, Bill Nighy, Patricia Clarkson, James Lance
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