Martin Manz (Albrecht Schuch) ist ein echtes Vorzeigemitglied der Gesellschaft. Er ist ein vorbildlicher Polizist, ehrenamtlich im örtlichen Handballverein tätig, kümmert sich aufopferungsvoll um seine hochschwangere Ehefrau Anja (Aylin Tezel), seinen kranken Vater Klaus (Friedrich von Thun) und seinen besten Freund Frank (Johannes Allmayer). Vor allem Letzterer braucht gerade viel Zuspruch, liegt doch seine Tochter im Koma, nachdem sie jemand nachts angefahren und einfach liegengelassen hat. Was Frank nicht ahnt: Dieser jemand war niemand anderes als Martin selbst, der sich in jener Nacht aus dem Staub machte und seither von Gewissensbissen geplagt wird.
Fehler zuzugeben, das fällt nicht jedem leicht. Schon unter normalen Zuständen. Und die Umstände in Der Polizist und das Mädchen sind nicht normal. Einen Menschen lebensgefährlich zu verletzen, ein Mensch, der dir obendrein noch nahesteht, das ist schon eine heftige Erfahrung. Wenn dann noch hinzukommt, dass du dich dabei womöglich strafbar gemacht hast, du deinen Ruf und deinen Job verlieren könntest, dann fällt es nicht schwer, die Entscheidungen von Martin nachzuvollziehen, lieber nichts zu sagen und auf ein Wunder zu hoffen. So moralisch falsch das auch sein mag.
Wenn Gesetzeshüter das Gesetz brechen
Dass dies auch noch einem Menschen passiert, der ja dafür da ist, das Gesetz zu schützen, Menschen zu schützen, macht die Situation noch einmal spannender. Sicher, die von Frédéric Hambalek geschriebene Geschichte ist ziemlich konstruiert, macht durch diverse Querverbindungen und Vorgeschichten Der Polizist und das Mädchen komplizierter als nötig, lenkt teilweise zu sehr von der Frage ab. Zumindest darf aber das Publikum mit Martin zittern, ob das Ganze gut ausgeht, und darüber nachgrübeln, wie man sich wohl selbst in der Situation verhalten hätte.
Leider geht der TV-Film, der auf dem Filmfest München 2018 debütierte, nicht sonderlich konsequent bei diesen Überlegungen vor. Da es keinen Austausch zwischen Martin und anderen zu dem Thema gibt, wird nie ganz klar, ob es dieses moralische Dilemma für ihn überhaupt gibt. Er versucht Frank zu helfen, wo es geht, das schon. Was genau in ihm vorgeht, das bleibt aber zwangsläufig verborgen, Der Polizist und das Mädchen findet auch kein Mittel, diesen Zwiespalt aufzuzeigen – sofern es ihn denn überhaupt gibt. Es bleibt hier an der Oberfläche
Geht nicht auch beides?
Das liegt auch daran, dass sich der Film nicht ganz entscheiden kann oder will, was er denn nun sein soll. Geht es um einen Mann, der große Schuld auf sich geladen hat und nach einem Weg sucht, mit dieser fertigzuwerden? Oder dreht es sich darum, wie weit er gehen würde, damit niemand etwas von dieser Schuld erfährt? Der Polizist und das Mädchen macht irgendwie beides und tut sich selbst damit keinen besonders großen Gefallen. Denn wer zu viel auf einmal erreichen will, der schafft oft weniger, als er könnte – so eben auch hier.
Teilweise ist das natürlich spannend, da lange offenbleibt, worauf das hier hinausläuft. Wird die schwer verletzte Jugendliche wieder aufwachen? Wird sie Martin verraten können? Oder wird das Worst Case Szenario eintreten, dass ihre Schäden zu groß sind? Was überhaupt ist das Worst Case Szenario in einer Geschichte, in der alle Optionen irgendwie mies sind? Noch spannender wäre es nur gewesen, wenn Der Polizist und das Mädchen sich auf eines der Themen konzentriert und dieses dann konsequenter verfolgt hätte. So bleiben aber Elemente, die keinen echten Zweck haben, der Film schwankt zwischen Drama und Krimi und springt auch bei der Entwicklung lieber hin und her, anstatt einen Fuß nach dem anderen zu setzen. Das gibt Stoff zum Nachdenken, etwa über Verantwortung oder auch mangelnde Kontrollen innerhalb der Polizei, setzt dann aber doch zu sehr auf plakativen Schock als eine intensive Auseinandersetzung.
(Anzeige)