Von früh auf musste Wolfsblut, das Kind eines Wolfes und einer Hündin, lernen, sich in der gefährlichen Wildnis von Kanada durchzusetzen. Besonders nachdem seine Mutter starb, die ihn zuvor liebevoll vor allem beschützt hat. Als er in die Hände eines alten Indianerhäuptlings gerät, scheint es das Schicksal gut mit ihm zu meinen. Einerseits ist er nun in Sicherheit. Auf der anderen Seite soll er in Zukunft als Schlittenhund dienen. Dies tut er auch, sehr gut sogar, er wird zu einem treuen und starken Begleiter, der alles für sein Herrchen tun würde. Doch die Stärke von Wolfsblut bleibt anderen nicht verborgen, die den Mischling gern für ihre eigenen Dienste einspannen würden.
Mehr als zwei Dutzend Romane hat Jack London seinerzeit geschrieben, unzählige Kurzgeschichten, dazu Gedichte, Essays und autobiografische Texte. Doch am bekanntesten sind bis heute die beiden Bücher Ruf der Wildnis und Wolfsblut, in denen er aus der Sicht von Hunden die Welt erkundet – mal als ein Haustier, das die Wildnis entdeckt, mal umgekehrt. Beide waren vor allem bei einem etwas jüngeren Publikum beliebt. Allein das 1906 veröffentlichte Wolfsblut wurde bis heute in 89 Sprachen übersetzt und diverse Male für Film und Fernsehen adaptiert, das erste Mal im Jahr 1925.
Dein animierter bester Freund
Die Abenteuer von Wolfsblut versucht, sich von eben diesen Adaptionen zu emanzipieren, indem die Geschichte mithilfe von Animation erzählt wird. Eine Entscheidung, die so naheliegend ist, dass man sich schon fragt, warum zuvor eigentlich niemand auf die Idee gekommen ist. Nicht nur, dass Animation immer eine beliebte Präsentationsform ist, wenn es um an jüngere Zuschauer gerichtete Filme geht. Es bringt in diesem Falle noch zwei weitere Vorteile mit sich. Zum einen ist es deutlich kostengünstiger, eine Welt am Rechner zu erstellen, anstatt wochenlang in der Wildnis unterwegs zu sein. Zum anderen ist es nun einmal einfacher, einen tierischen Protagonisten abzurichten, der aus Nullen und Einsern besteht anstatt aus Fleisch und Blut.
Und das ist wichtig, denn Wolfsblut ist nicht einfach der Titelheld des Filmes. Zu einem Großteil ist er der Film. Gerade zu Beginn gibt es eine ausgedehnte Passage, in der allein die Tierwelt und die Natur des schneebedeckten Kanadas zu sehen ist. Menschen haben hierin nichts zu suchen, noch weniger zu sagen. Sobald der Mischling in die Hände der Menschen gerät, ändert sich das natürlich. Doch die Dialoge bleiben sparsam, Regisseur Alexandre Espigares verlässt sich darauf, dass allein die Bilder für sich sprechen.
Bezaubernde Bilder einer großen Wildnis
Die sind dann auch wirklich sehr schön geworden. Die Abenteuer von Wolfsblut entstand am Computer, vermeidet dabei jedoch den typischen CGI-Look. Stattdessen greift der spanisch-luxemburgische Regisseur und Animator, der 2013 einen Oscar für seinen Kurzfilm Mr Hublot erhielt, auf die sogenannte Cel-Shading-Technik zurück. Diese wird hauptsächlich in Videospielen eingesetzt, findet sich aber auch manchmal in Filmen wieder – beispielsweise in Appleseed und Die Häschenschule – Jagd nach dem goldenen Ei –, um sie stärker wie klassischen Zeichentrick wirken zu lassen. Das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen, vor allem die lichtdurchflutete Wildnis ist ein schöner Anblick. Dass das Budget hier nicht so groß ist wie bei diversen Blockbustern, was sich auch an sparsameren Texturen zeigt, fällt durch diese stilistische Entscheidung weniger auf.
Auch inhaltlich ist Die Abenteuer von Wolfsblut, das auf dem Sundance Film Festival 2018 Weltpremiere hatte, eher einfach angelegt. Der Film untersucht das Verhältnis zwischen Mensch und Natur, betont Werte wie Loyalität und Mut. Vor allem aber ist der Film eine Liebeserklärung an die Natur, sagt deutlich, dass Tiere nur dort wirklich zu Hause sind. Der Part fällt ein wenig kurz aus, so wie einige Abschnitte mehr Länge gebraucht hätten, um ihre Wirkung vollends entfalten zu können. Aber auch so ist der eher ruhige Animationsfilm eine Wohltat in einem Kinosegment, das sonst fest in der Hand von dröhnender Popmusik, hysterischem Slapstick und Holzhammermethodik ist. Espigares zeigt, dass es auch anders geht und macht bereits neugierig darauf, was er nach seinem Spielfilmdebüt als nächstes angehen wird.
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