Dressed to Kill

Dressed to Kill

„Dressed to Kill“ // Deutschland-Start: 3. Juni 1980 (Kino) // 14. September 2018 (Blu-ray)

Die verheiratete Kate Miller (Angie Dickinson) ist sexuell frustriert und in Therapie bei Dr. Robert Elliott (Michael Caine). Sie versucht ihn zu verführen, erhält aber einen Korb. Bei einem Besuch des Metropolitan Museum of Art bandelt sie mit einem Fremden an und landet in dessen Bett. Als sie am nächsten Tag nach Hause möchte, wird sie von einer Unbekannten im Aufzug mit einem Rasiermesser ermordet. Die Escortdame Liz (Nancy Allen) findet die Leiche, da sich ihre verheiratete Bekanntschaft nach der gemeinsamen Nacht allerdings aus dem Staub gemacht hat, wird Liz direkt zur Hauptverdächtigen. Glücklicherweise glaubt Kates Sohn Peter (Keith Gordon) an ihre Unschuld und gemeinsam fangen sie an, selbst zu ermitteln.

Der Einstieg von Dressed to Kill ist so explizit, dass er nicht nur radikal für die TV-Version gekürzt werden musste, sondern, wenn auch nicht ganz so drastisch, sogar für eine Fassung, die ein R-Rating erhielt. Kate steht unter der Dusche, während ihr Ehemann (Fred Weber) sich vor dem Spiegel rasiert. Sehnsüchtig-lüstern starrt sie ihn an und beginnt, sich zu berühren. Aus einfachem Streicheln wird schnell mehr, bis aus der Masturbation eine hemmungslose Sexfantasie wird. Verborgen bleibt dem Zuschauer dabei so gut wie nichts, über vier Minuten dauert die Szene, in der Victoria Johnson als Körperdouble von Dickinson einsprang. Und noch etwas wird hierdurch klar: Regisseur Brian De Palma nimmt sich viel Zeit für den Aufbau seines Films.

Beschreibung ohne Worte
Ein Thriller lebt von Spannung, was ein langsames Pacing zu einem gewagten Schritt macht, da es schnell in die Langeweile abdriften kann. Auf dem Papier hört sich eine neunminütige Sequenz ohne Dialog in einem Museum tatsächlich nicht sonderlich packend an. Als sich Kate mit dem Unbekannten dann aber packendes ein Katz-und-Maus-Spiel durch die Ausstellungsräume liefert, kommt De Palmas Inszenierungstalent zum Tragen. In diesen dialoglosen fünfzehn Minuten erfährt der Zuschauer mehr über Kate als in ihrer Therapiesitzung, in der sie ihre Probleme verbalisiert. Die Sitzung selbst dient auch eher dazu, Dr. Elliott einzuführen, und hat weniger mit Kate an sich zu tun. Liz und Peter werden nicht ganz so ausführlich eingeführt und charakterlich ausgearbeitet, aber auch für sie hat De Palma einen Weg gefunden, über den der Zuschauer einen Zugang zu ihnen erhält.

Besonders bemerkenswert ist allerdings, wie sämtliche Departments – etwa Kamera, Schnitt, Ausstattung – De Palmas Vision manifestieren. Das Szenenbild trägt einen Großteil dazu bei, dass die Museumssequenz so gut funktioniert. De Palma und Kameramann Ralf Bode wissen genau, wo sie die Kamera platzieren müssen, um die richtigen Bilder für die spätere Montage einzufangen. Durch Einsatz von Spiegeln in manchen Szenen wird teilweise ein Splitscreen im Splitscreen erreicht, was nur eines von vielen Mitteln darstellt, das Drehbuch bestmöglichst auf die Leinwand zu transferieren.

Gut umgesetztes Vorbild
Sicher stand Alfred Hitchcock öfter Pate. Dressed to Kill wurde seinerzeit auch mehr oder weniger offen als Hitchcockopie abgestempelt, da bereits De Palmas Schwarzer Engel vier Jahre zuvor deutlich vom Altmeister inspiriert war. Während De Palmas Verehrung für Hitchcock kein Geheimnis ist, wird oft übersehen, dass De Palma kein schlichter Nachmacher ist. Unbestritten erinnert die Museumsszene in Dressed to Kill an jene aus Vertigo, unbestritten finden sich in Dressed to Kill Elemente aus Psycho, unbestritten ist die Suspenseinszenierung von Hitchcock inspiriert. Aber es spricht ja nichts dagegen, sich von einem Meister seines Faches inspirieren zu lassen. In den Händen eines anderen Regisseurs wäre aus De Palmas Skript vermutlich nur ein durchschnittlicher Film geworden, da die Geschichte an sich recht simpel ist und trotz einiger Wenden keine Überraschungen enthält. Doch der Filmemacher schafft es, aus dem Schatten seines Vorbilds hervorzutreten und etwas eigenes daraus zu machen. Es ist die durchdachte Inszenierung, die den Suspensethriller sehenswert werden lässt und einmal mehr bestätigt: Besser gut geklaut als schlecht erfunden.



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Was etwas behäbig als Geschichte einer unbefriedigten Frau beginnt, wird in "Dressed to Kill" schnell zu einem Suspensethriller, inklusive Mord, Ermittlungsarbeit und Twists. Während Parallelen zu anderen Filmen unübersehbar sind, handelt es sich um ein kluges Lehrstück für angehende Regisseure.
7
von 10