Luz
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Luz
„Luz“ // Deutschland-Start: 21. März 2018 (Kino)

Das deutsche Kino hat bekanntermaßen immer ein wenig Gegenwind von Leuten, die grundsätzlich nichts Gutes erwarten, wenn sich hiesige Filmemacher an die Arbeit machen. Das gilt insbesondere für das deutsche Genrekino. Horror? Thriller? Science-Fiction? Aus Deutschland? Gefangen zwischen Schwarzmalerei des Publikums und Skepsis der oft ängstlichen Filmförderungen sind Beispiele für die obigen Genres selten. Und wenn dann doch mal eines wie aus dem Nichts auftaucht, wird es meistens ignoriert. Zumindest vom Massenpublikum, das lieber regelmäßig 08/15-Vertreter aus den USA zu Hits macht – etwa Wahrheit oder Pflicht –, anstatt hierzulande auf Filmjagd zu gehen.

Wobei das sicher auch damit zusammenhängt, dass die wenigen deutschsprachigen Genrefilme oft sehr speziell sind. Wenig zugänglich. Wir sind die Flut, Der Bunker oder Hagazussa – Der Hexenfluch waren solche Beispiele aus den letzten Jahren, die so weit ab von Schubladen und Genregrenzen agierten, dass es zwar Kritikerlob hagelte, aber nicht unbedingt Geldscheine. Und auch Luz kann man nun getrost dazu zählen. Das fängt schon damit an, dass man hier nur schwer eine Geschichte wiedergeben kann. Elemente einer solchen gibt es zwar. Vor allem gibt es die Titelfigur, gespielt von Luana Velis. Eine Taxifahrerin, die in einen Unfall verwickelt war und nun in einer Polizeistation befragt werden soll.

Viele Worte, noch mehr Fragen
Viel mehr als das geschieht auch nicht. Wir sehen Leute, die reden. Mal an dem einen Ort, mal an dem anderen. Oft können wir uns nicht sicher sein, ob sie überhaupt hier sind. Mit wem sie reden. Ob sie selbst reden oder jemand durch sie hindurch redet. Sprachlos beginnt Luz, wenn die Protagonistin am Empfang vorbeischlurft. Eventuell ist der Automat in der Ecke das Ziel, schließlich bewegt sie sich darauf zu – langsam, aber immerhin. Vielleicht hat sie auch kein Ziel, so wie man sich bei dem Film allgemein oft fragt, worauf das hier hinauslaufen soll.

Regisseur und Drehbuchautor Tilman Singer hat hiermit seine Abschlussarbeit an der Hochschule abgeliefert. Und wie es solche Abschlussarbeiten an sich haben, da wird gern noch etwas experimentiert, bevor der Ernst des Lebens beginnt und der kommerzielle Druck. Kommerziell ist an Luz nichts, auch wenn das seinerzeit durchaus kommerziell erfolgreiche Giallo-Horror-Thriller-Kino aus Italien hier mitschwingt. So wie hier vieles mitschwingt, was nicht von heute ist. Der schummerige Synthiescore zum Beispiel. Und angesichts der minimalistischen Ausstattung der Polizeiwache stellt sich ohnehin die Frage, wann das hier spielen soll. Wo es spielen soll.

Lass und Rätselspiele spielen!
Dafür spielt Singer ausgiebig mit den Zuschauern. Mit ebenso minimalistischen Mitteln. Dialoge, die sich wiederholen, in unterschiedlichen Kontexten, in unterschiedlichen Sprachen. Orte, die im Geiste erneut besucht werden, bis nicht mehr klar ist, ob der Ort hier oder woanders ist. Wahn? Seance? Oder eben doch nur eine Hypnose, so wie behauptet? Antworten darauf muss das Publikum schon selbst welche geben, sofern es denn welche braucht. Singer selbst tut das offensichtlich nicht, lässt vieles offen, operiert am vagen Herzen. Und in diffusen Seelen.

Das ist wie gemacht für Filmfeste mit experimentierfreudigeren Zuschauern, weshalb Luz auch gerade von Festival zu Festival weitergereicht wird – aktuell etwa das Fantasy Filmfest und das Filmfest Oldenburg. Nicht geeignet ist es hingegen für Leute, die Handlung erwarten oder auch Blut: Für einen Film, der unter anderem dämonische Besessenheit darstellt, wird erstaunlich wenig gezeigt. Der Inhalt selbst wird nie wirklich fassbar, trotz der sehr knappen Laufzeit von 70 Minuten. Aber was heißt schon wirklich in einem Film, der die Wirklichkeit zunehmend dekonstruiert, von innen aushöhlt, bis surreale Ersatzteile übrigbleiben? Es ist die Atmosphäre, durch die dieses eigenwillige, rätselhafte Horrorwerk überzeugt, mit der sich der stilsichere Singer für weitere Ausflüge empfiehlt. Für weitere Kämpfe gegen Genreklischees und Erwartungen, von denen er selbst augenscheinlich wenig hält.



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Kommt eine junge Taxifahrerin zur Polizei: Das ist der Auftakt zu einem Werk, das ebenso rätselhaft wie nichtssagend ist, atmosphärisch wie surreal. „Luz“ ist eine aus Zeit und Ort gefallene Verneigung vor alten Horrorfilmen, die sich aber nicht an dessen Gesetze und Erwartungen hält. Experimentierfreudigere Zuschauer werden an diesem bemerkenswerten Debüt ihre dunkle Freude haben, reguläre Horrorfans werden fassbaren Schrecken oder auch die Handlung vermissen.
6
von 10