Wie diese tiefe Schlucht entstanden ist, das kann keiner sagen, auch nicht, was sich auf deren Grund befindet. Eines steht aber fest: In der sogenannten Abyss sind jede Menge Schätze zu bergen. Genau das will Riko tun, als sie bei einem ihrer Ausflüge einen ohnmächtigen Androiden-Jungen findet. Der hat keine Erinnerungen, weiß weder wer er ist, noch was ihn hierher verschlagen hat. Dafür verfügt er aber über jede Menge Kraft. Für Riko trifft sich das sehr gut, schließlich hat sie doch diese seltsame Nachricht ihrer verschwunden Mutter, wonach diese auf dem Grund der Abyss wartet. Während die beiden sich nach und nach in tiefere Gefilde begeben, begegnen sie anderen Schatzsuchern und sonstigen seltsamen Gestalten.
Wer hat nicht als Kind (oder Kindgebliebener) davon geträumt, tiefe Abgründe zu erforschen, nach Schätzen zu suchen und aufregende Abenteuer zu erleben? In unserer Welt ist das inzwischen zwar eher selten noch möglich. Aber dafür haben wir ja die Unterhaltungsindustrie, die uns immer wieder einen Ausweg aus dem drögen Alltag bietet. Zumindest in Form von Videospielen: Während klassische Abenteuerfilme heute eher ausgestorben sind, dürfen Gamer nach wie vor ihrem Schatzsuchertrieb nachgeben, etwa in der unverwüstlichen japanischen Retro-Dungeon-Crawler-Reihe Etrian Odyssey.
Süß-markanter Abstieg in den Abgrund
Aber auch für bloße Zuschauer, die sich nicht einmal virtuell die Hände schmutzig machen wollen, hat das Land der aufgehenden Sonne etwas Hübsches zusammengestellt: Made in Abyss ist sozusagen das Anime-Pendant zu dem obigen Kultspiel. Die Optik zumindest ist nicht so weit auseinander. Das oft unterschätzte Animationsstudio Kinema Citrus (Barakamon, Black Bullet) fängt dabei die Manga-Vorlage von Akihito Tsukushi gut ein: Die Figuren sind im kindlichen Chibi-Stil gehalten, aber doch noch markant genug, um nicht ganz in der Masse zu verschwinden.
Die von Masayuki Kojima (Monster, The Piano Forest) inszenierte Adaption lässt es dabei recht gemütlich angehen. Die ersten Folgen von Staffel eins dienen allein der Etablierung der Welt und der Figuren. Wir lernen Riko kennen, kurze Zeit später den unter Amnesie leidenden Roboter Reg. Das bringt automatisch einige Fragen mit sich: Woher kommt er? Was hat ihn hierher verschlagen? Und weshalb kann er sich an nichts erinnern? Zusammen mit anderen unerklärten Vorbedingungen – das Schicksal der Mutter, die Natur des Abyss – sorgt das dafür, dass das Publikum schön neugierig gemacht wird, bevor es ab in die Tiefe geht.
Nur kein Stress!
Seltsamerweise scheint sich in der Serie aber kaum jemand für diese Geheimnisse zu interessieren. Während Riko verständlicherweise großes Interesse daran hat, ihre Mutter wiederzufinden, spielen die anderen Aspekte keine nennenswerte Rolle. Und auch der Action-Anteil hätte sicher etwas höher ausfallen dürfen, gerade in der ersten Hälfte der Staffel gleicht der Abstieg eher einem gemütlichen Wanderausflug. Gefahren stehen nicht wirklich auf dem Programm, die starke Bewaffnung von Reg wird nur selten gefordert, der Anime ist eine kindliche Version bekannter Abenteuer.
Mit der Zeit legt Made in Abyss jedoch ein wenig zu, unser Heldenduo begegnet seltsamen bis monströsen Gestalten, langsam entsteht das Gefühl, dass der Abstieg tatsächlich Risiken mit sich bringt. Leider bringt er aber auch jede Menge Drama mit sich, das wie so manches in der Serie gerne das ohnehin schon nicht besonders große Tempo noch weiter ausbremst. Dennoch, sympathisch ist der Anime, die Welt ist interessant und birgt auf jeden Fall Potenzial für weitere Steigerung. Ob dies zutrifft, darauf müssen Anime-Fans jedoch noch ein wenig warten: Anstatt eine zweite Staffel zu produzieren arbeitet das Team an zwei Filmen, die Anfang 2019 in Japan erscheinen, ein deutscher Termin ist noch nicht angekündigt.
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