Sie haben ihre eigenen Gründe, weshalb sie an dem Test des neuen Psychopharmakons teilnehmen wollen. Owen Milgrim (Jonah Hill) leidet seit seiner Jugend an Schizophrenie und hat gerade Ärger mit seiner Familie, die ihn zu einer Falschaussage vor Gericht zwingen will. Auch bei Annie Landsberg (Emma Stone) liegt im Privaten einiges im Argen. Vor allem aber braucht sie die Tests, um ihre Pillenabhängigkeit zu befriedigen. Die beiden haben aber noch sehr viel mehr gemeinsam, wie sie bald feststellen müssen. Als die eigentlichen Experimente beginnen, finden sie sich in immer neuen Situationen wieder, die sie zusammen überstehen müssen. Was nicht einfach ist. Besonders als hinter den Kulissen einiges schiefgeht.
In dem Überangebot von Netflix den Überblick zu behalten, das ist eine Aufgabe für sich. Jede Woche kommen neue Filme, neue Serien, neue Dokumentationen hinzu, von Lizenztiteln ganz zu schweigen, blähen das ohnehin schon unübersichtliche Sortiment noch weiter auf. Maniac ist dabei eine der wenigen, die aus der Flut an Neuerscheinungen heraussticht. Zum einen, weil es die neue Serie von Cary Joji Fukunaga (True Detective) ist, was vorab zumindest in gewissen Kreisen für jede Menge Hype gesorgt hat. Zum anderen weil die Geschichte um ein etwas anderes wissenschaftliches Experiment einzigartig ist. Oder zumindest fast.
Alles ganz normal hier …
Genau genommen basiert die Serie auf einer norwegischen gleichen Namens. Von der dürften aber nur die wenigsten bislang gehört haben, zumal sie bis heute nicht auf Deutsch erschienen ist. Zum anderen haben Fukunaga und Patrick Somerville, der Hauptautor von Maniac, etwas ganz eigenes daraus gemacht. Schon bevor die eigentliche Geschichte beginnt, lernen wir hier eine Welt kennen, die unserer eigentlich recht ähnlich ist. Nur ein bisschen kaputter. Das liegt natürlich auch an dem gezeigten Umfeld, das fast ausschließlich aus den Teilnehmern der Studie und den nicht minder problembehafteten Wissenschaftlern besteht. Aber selbst wenn sich der Blick mal weitet: Normale, solide Leben scheint hier keiner mehr zu führen.
Das kann recht skurril werden. Da gibt es lilafarbene Roboterkoalas, die in Parks Schach spielen, eine besondere Organisation stellt gegen Bezahlung maßgeschneiderte Freunde. Und spätestens wenn die Experimente beginnen, Owen und Annie in ihrer Vorstellungskraft ein absurdes Abenteuer nach dem anderen erleben, kennt der Spaß keine Grenzen. So wie allgemein alle Grenzen aufgehoben wurden. Das Szenario von Maniac – Menschen durchleben im Rahmen eines Medikamententests Träume und Fantasien – ermöglicht den Autoren natürlich, so ziemlich jeden Blödsinn auszuprobieren. So surreal wie bei David Lynch oder Michel Gondry, die gerne mal für Vergleiche herangezogen werden, wird es hier zwar nicht. Das meiste könnte man sich als normalen Film vorstellen. Es ist eher die Kombination der vielen Einzelgeschichten, in denen jeweils Owen und Annie eine Hauptrolle spielen, was die Serie so besonders macht.
Der kontinuierliche Weg in die Abgründe
Und doch: So unsinnig und willkürlich die einzelnen Folgen manchmal erscheinen, es gibt sie, die verbindenden Elemente. Gerade auch weil die Grenzen zwischen der Fantasie und der Realität so fließend sind, Figuren aus dem Umfeld der beiden ständig wiederauftauchen, erfahren wir so nach und nach mehr über Owen und Annie. Erfahren über ihre Leben da draußen, die Vorgeschichten. So grotesk und überdreht das Drumherum manchmal ist, so erstaunlich ungeschminkt ist der Umgang hier mit Themen wie Trauma und psychischer Erkrankung. Der Kontrast aus Absurdem und persönlichen Abgründen, er funktioniert, bringt uns im einen Moment zum Lachen, nur um im nächsten wahnsinnig traurig zu sein. Denn Maniac handelt eben in erster Linie von zwei kaputten Menschen, die sich finden, immer wieder finden, sich am Ende auch selbst finden.
Ein solcher Drahtseilakt zwischen schriller Komik und ernster Tragik erfordert natürlich die passenden Darsteller. Und glücklicherweise kann Maniac gerade hier richtig punkten: Emma Stone (La La Land) und Jonah Hill (The Wolf of Wall Street) dürfen ihre ganze Bandbreite zeigen, oft auch erstaunlich gegen das eigene Image anspielen. Vor allem Hill als verletzlich-gebrochener Außenseiter, der von seiner Familie hin und her geschubst wird, dürfte viele überraschen. Weniger beglückend sind die zahlreichen Nebenfiguren, denen keine Form von Subtilität zugestanden wurde und lediglich bekloppte, eindimensionale Sonderlinge sein dürfen, die manchmal etwas anstrengend sind. Dafür investiert die Serie an anderer Stelle umso mehr: Die futuristische Retro-Variante der Experimente wurde mit ebenso viel Liebe zum Detail zum Leben erweckt wie die diversen Ausflüge in die Vergangenheit. Zu sehen gibt es hier also mehr als genug, auch genügend Gründe, das tun zu wollen: Maniac ist nach diversen Enttäuschungen wie Ghul, The Rain oder The Innocents endlich mal wieder eine Netflix-Serie, die ihren Vorschusslorbeeren gerecht wird.
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