Für Mario (Max Hubacher) gibt es eigentlich nur eins im Leben: Fußball. Schon seit frühester Kindheit kickt er, auch auf Drängen seines Vaters (Jürg Plüss), der durch ihn seine eigenen Sportambitionen auslebt. Das klappt auch alles ganz gut, Mario ist in seiner Jugendmannschaft etabliert, der Schritt zur ersten Mannschaft ist nicht mehr weit. Doch dann taucht Leon (Aaron Altaras) auf, ein neuer Mitspieler, den sein Verein eingekauft hat. Der ist nicht nur sehr ehrgeizig und wird damit zu einem echten Konkurrenten für Mario. Er ist auch noch richtig süß. Bald funkt es zwischen den beiden und sie beginnen heimlich eine Liebesbeziehung. Von der darf jedoch niemand etwas erfahren, nicht das Team, nicht der Verein, auch nicht die Familien. Denn sonst können sie das mit der Fußballkarriere vergessen.
Fünf Jahre sind vergangen, seitdem sich Thomas Hitzlsperger als erster bedeutender deutscher Fußballer als schwul outete. Nach Ende seiner Karriere natürlich. Fünf Jahre, das ist eine lange Zeit, kann es zumindest sein. Außer beim Fußball, der als letzte Bastion echter Männer bis heute keine Abweichung der sexuellen Orientierungsnorm zulässt. Zumindest nicht öffentlich. Gemunkelt wird natürlich von dem einen oder anderen schon, dass er in Wahrheit vielleicht doch schwul sein könnte, die hübschen Frau an der Seite dort in erster Linie als Auftragsarbeit steht. Aber man fragt nicht nach. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.
Das Geschäft mit den Gefühlen
Diese Alibi-Frauen sind eines der Themen, die Mario im Laufe der zwei Stunden anschneidet. Bemerkenswert dabei ist, mit welchem Zynismus die Beteiligten vorgehen. Marcel Gisler, der Regie führte und das Drehbuch schrieb, zeigt antihomosexuelle Tendenzen im Fußball nicht als solche aus Überzeugung. Den meisten dort geht es letztendlich nur um Geld, stören sich gar nicht an schwulen Gefühlen, so lange nur niemand etwas davon weiß. Denn das könnte bedeuten, dass Fans davonlaufen, Sponsoren davonlaufen, das Geschäft einfach weniger profitabel ist. Und das gilt es zu verhindern.
Wie es überhaupt zu der Schwulenfeindlichkeit kommen kann, darüber verliert Gisler kein Wort. Es fehlt an einer echten Auseinandersetzung mit den Gegnern, da diese hier nie offen in Erscheinung treten. Ein paar blöde Sprüche in der Umkleidekabine, das war es auch schon. Ansonsten verschwindet der „Feind“ in der grauen Masse, ist eine diffuse Gruppenmentalität anstatt eines Individuums. Ohnehin tut sich Mario ein wenig schwer mit der Figurenzeichnung: Praktisch jeder, der hier auftaucht, erfüllt in erster Linie eine Funktion. Dafür schreckt der Film auch nicht vor Klischees zurück wie dem frustrierten Vater, der seine eigenen geplatzten Träume auslebt, bis hin zur obligatorischen besten Freundin Jenny (Jessy Moravec).
Starke Darsteller
Was den Film auszeichnet – neben dem Mut, dieses Tabuthema überhaupt mal anzusprechen –, ist die Leistung der beiden Hauptdarsteller. Max Hubacher (Der Hauptmann) und Aaron Altaras (Die Unsichtbaren – Wir wollen leben) überzeugen als junges Liebespaar, das keines sein darf. Sowohl die ersten vorsichtigen Annäherungen, die von Unsicherheit und Zweifeln geprägt sind, wie auch die späteren Momente, wenn sie zwischen Liebe und Karriere stehen, gehen dabei schnell zu Herzen. Mal ist es einfach süß, die beiden zusammen zu sehen, mal traurig, zwischendrin darf man auch richtig wütend sein.
Mario, einer der großen Titel beim diesjährigen Schweizer Filmpreis, erzählt dabei gleichzeitig eine sehr spezielle und doch auch universelle Geschichte. Man muss kein Fußballer sein oder auch homosexuell sein, um sich in den beiden wiederzufinden, die sich nicht nur ihrer Gefühle klar werden müssen, sondern dabei auch noch gegen Widerstände anzukämpfen haben. Und auch wenn das eine oder andere dabei holprig ist, so muss man es doch dem Film hoch anrechnen, dass er weder den leichten Ausweg noch das große Drama sucht, sondern einfach von einer Liebe erzählt, für die es keinen Platz gab. Was auch so schon traurig genug ist.
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