Skrupel hat James Silva (Mark Wahlberg) keine. Dafür aber jede Menge Waffen. Und die braucht er auch, gehört er doch einer streng geheimen Spezialeinheit an, die für die Regierung die Drecksarbeit erledigt. Arbeit wie diese: verschwundenes und höchst gefährliches radioaktives Material wiederfinden, bevor es in die falschen Hände gerät. Der Informant Li Noor (Iko Uwais) ist auch durchaus dazu bereit, ihnen hier zu helfen. Im Gegenzug verlangt er jedoch, sicher außer Landes gebracht zu werden. Der Auftrag von Einheitsleiter James Bishop (John Malkovich) lautet dann auch, ihn zu einem Flughafen zu geleiten, an dem ein Flieger schon auf sie warten soll. Nur ist eben dieser Flughafen 22 Meilen weit entfernt. Verfolgt von Heerscharen feindlicher Agenten werden es die längsten 22 Meilen sein, die Silva und seine Truppe in ihrem Leben zurücklegen müssen.
Peter Berg und Mark Wahlberg, das ist mittlerweile ein richtig eingespieltes Team. Zum vierten Mal arbeiten die beiden hier nun schon zusammen, nach Lone Survivor, Deepwater Horizon und Boston. Entsprechend viel Routine darf man vermuten, wenn der US-Regisseur seinen muskelbepackten Landsmann auf die Jagd nach gefährlichen Bombenlegern schickt. Und doch ist Mile 22 nicht einfach nur ein routiniertes „weiter so“. Was zunächst wie ein weiteres Beispiel für patriotisch gefärbte Heldenverehrung aussieht, entwickelt sich im Anschluss etwas unerwartet weiter.
Mut zur Hässlichkeit
Vor allem Wahlberg überrascht: Das ehemalige Unterwäschemodel darf hier mal anderweitig die Hosen runterlassen und sich als Elite-Agent von einer richtig hässlichen Seite zeigen. Zielführend ist das nicht, wenn der sonst auf Heldenrollen abonnierte Mime als Zeichen seiner Psychose Armbändchen schnalzen lässt, Geburtstagskuchen durch die Gegend wirft oder jeden anschnauzt, der den Fehler macht, in seine Nähe zu kommen. Es ist nicht zielführend für den Auftrag, den Informanten sicher zum Flughafen zu bringen. Es ist auch nicht zielführend für den Film, der die Macken seiner Figuren ständig vorführt, ohne dass klar würde warum. Auf die Geschichte selbst haben diese nämlich so gar keinen Einfluss.
Ohnehin, so richtig durchdacht ist Mile 22 sicher nicht. Das von Lea Carpenter (Eleven Days) verfasste Drehbuch suhlt sich im Chaos, hat es zu eilig, um über etwas länger nachzudenken. Da dürfen ständig Autos in die Flug fliegen und wild durch die Gegend geballert werden, Diplomatie oder Dialoge haben dabei erst einmal Sendepause. Das ist in Kombination mit den angeknacksten Figuren jedoch ganz kurzweilig. Wenn auf der vermeintlich guten Seite lauter Psychowracks herumlaufen, denen man im Leben nicht sein Schicksal anvertrauen wollte, dann ist das mal eine erfrischende Abwechslung zum sonstigen Hurraheldentum, das einem in diesem Segment immer wieder vorgeführt wird.
Wessen Bein war das gerade?
Frustrierend wird es jedoch bei den Auftritten von Iko Uwais. Der Indonesier, bestens bekannt durch The Raid, darf hier mal wieder Fäuste, Beine und sonstige Körperteile durch die Gegend fliegen lassen, womit er dem in seinem Repertoire eingeschränkten Marky Mark immer wieder die Show stiehlt. Die Wucht seiner Angriffe wird durch die unnötigen Schnittgewitter jedoch zunichte gemacht: Wenn es zum Kampf kommt, wird es sehr schnell unübersichtlich, wer gerade wo gegen wen kämpft, geht in den Bilderschnipseln verloren. Eine der größten Stärken des Films so zu vermurksen, das ist ebenso fahrlässig wie ärgerlich.
Dass Mile 22 an den amerikanischen Kinokassen ziemlich untergegangen ist und auch die Kritiker kein gutes Haar an ihm lassen wollten, das ist verständlich. Umso mehr, wenn man bis zum erstaunlich kontroversen Ende dran bleibt. Das sollte übrigens erst der Anfang sein, der Jagd auf den radioaktiven Stoff sollten noch viele weitere Einsätze wollen. Ob das angestrebte Multi-Media-Projekt aus mehreren Filmen und Serien noch Realität wird, bleibt abzuwarten, ist eher unwahrscheinlich. Interessant ist der Auftakt zumindest, gerade weil eben so vieles nicht passt, vieles irgendwie kaputt ist – mal freiwillig, mal nicht.
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