Es war eine dieser Meldungen, bei denen man nicht so recht wusste, ob man lachen, weinen oder sich tierisch aufregen sollte. Einem 18-jähriger Afghanen wurde in Österreich das Asyl verweigert. Die Begründung: Er sei nicht schwul genug. Sehr zahlreich sind sie natürlich nicht, die Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Identität ihre Heimat verlassen müssen. Das Hauptaugenmerk liegt auf denen, bei denen Krieg oder Armut die Motivation darstellen. Aber auch Unterdrückung und Verfolgung, weil man das „falsche“ Geschlecht liebt oder anderweitig nicht der Norm entspricht, können Grund genug sein, die Heimat zu verlassen und woanders von einem besseren Leben zu träumen.
Der Kampf um einen Neuanfang
Ähnlich zu HOMØE – Auf der Suche nach Geborgenheit letztes Jahr berichtet auch Mr Gay Syria von solchen Schicksalen. Zwei Männer sind es, die hier im Mittelpunkt stehen. Zwei Männer, die vieles eint, deren Leben aber doch kaum unterschiedlicher sein könnte. Mahmoud ist Journalist und Aktivist, der sich für die Rechte und Belange der LGBT-Community einsetzt und den ersten Schwulen-Blog Syriens führte. Bis er fliehen musste. Husein ist ebenfalls schwul, wovon aber niemand etwas erfahren darf. Vor allem nicht seine Familie, mit der er von Syrien in die Türkei floh: seine Eltern, seine Frau, seine Tochter.
Was die beiden eint, ist eben jener Schönheitswettbewerb, den Mahmoud in Istanbul veranstaltet und an dem Husein teilnimmt, neben diversen anderen Männern. Dieser Wettbewerb ist quasi der Mittelpunkt der Geschichte, auf den alles hinausläuft. Gleichzeitig nutzt Regisseurin Ayse Toprak die Veranstaltung, um ganz allgemein über die Situation von Homosexuellen im arabischen Raum zu sprechen. Persönliche Anekdoten wechseln sich mit kleinen Exkursen ab, der Dokumentarfilm verdeutlicht, was es bedeutet, in einem homophoben Umfeld leben zu müssen. Ein Doppelleben führen zu müssen, aus Angst.
Die Freiheit des Klischees
Der Wettbewerb sollte diesen Männern helfen, sich aus den Normen zu befreien, sich selbst suchen zu dürfen. Dass dabei dann doch wieder eben jene Klischees bedient werden, die der österreichische Beamte oben erwartete, ist zwar etwas irritierend. So bekommt der Gewinner am Ende ein kleines Krönchen, vier der fünf Männer nutzen den Talentteil, um zu tanzen. Husein ist die Ausnahme, er spielt lieber einen Monolog, in dem ein Schwuler sich vor seiner toten Mutter outet. Und auch der ist so affektiert und ausufernd, dass von der Intimität eines solchen Moments kaum mehr etwas übrigbleibt.
Zum Gewinner wurde er dennoch. Und das sicher nicht unverdient: Wie er die Bühne zu seiner macht, alles herauslässt, ohne Scham, ohne Zurückhaltung, ohne Angst, das hat etwas sehr Befreiendes. Ein Mann, der sich wenigstens hier nicht verstecken muss und es deshalb auch nicht will, der diesen einen Moment genießt, in dem er sein darf, wer auch immer er ist. Denn vorbei ist dieser Moment schneller, als einem lieb ist. Nicht alles hat sich im Anschluss so weiter entwickelt, wie von Husein gehofft. Der Wettbewerb bleibt eine Randerscheinung, von der kaum einer Notiz nimmt, die nichts an der eigentlichen Situation ändert. Mr Gay Syria ist deshalb die Dokumentation eines ersten Schrittes, eine Aufmunterung, nicht nur in der Flucht sein Glück zu suchen, sondern auch in einem selbst, und anderen diese Suche zu ermöglichen.
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