Ein Umzug? Muss das wirklich sein? Nein, Lust darauf hat die 10-jährige Agathe Christine nicht gerade. Vor allem, da sie sich in der neuen Wohnung auch noch das Zimmer mit ihrer älteren Schwester teilen soll. Das gibt nur Ärger. Dabei hat Agathe überhaupt keine Zeit dazu. Schließlich hat sie doch den großen Traum, einmal eine echte Privatdetektivin zu werden. Immerhin, einen ersten Job hat sie schon. Im Auftrag eines Ladenbesitzers soll sie herausfinden, wer ihn immer wieder bestiehlt. Das kommt wie gerufen, von der Belohnung könne sie sich danach ja den Hund kaufen, den sie so gern hätte. Nur funkt ihr dabei immer wieder Vincent dazwischen, ein nerviger Nachbarsjunge, der auch in dem Laden arbeitet.
Sonderlich versteckt ist die Anspielung nicht gerade: Wenn Karla von Bengtson ihre junge Protagonistin auf den Namen Agathe Christine tauft, dann ist das eine doch recht deutliche Hommage an Agatha Christie. Einen wirklichen Krimi hat die dänische Regisseurin und Drehbuchautorin in Next Door Spy aber nicht abgeliefert. Wer hier ähnlich harte Rätselnüsse wie bei der britischen Queen of Crime erwartet, der ist im falschen Film gelandet. Denn so wie die Hobbydetektivin noch zarte zehn Jahre alt ist, so ist auch das Zielpublikum jünger angelegt.
Was wollte ich noch gerade?
Das spiegelt sich zum einen in dem Fall wieder. Der ist nicht nur recht simpel mit einer geradezu banalen Lösung. Next Door Spy vergisst ihn auch regelmäßig. Zwar wird Agathe immer mal wieder zu ihm zurückkehren und mit selbstgebauten kuriosen Hilfsmitteln auf Tätersuche gehen. Aber das verkommt schnell zur Nebensache, die Ermittlungen rund um verschwundene Waren aus einem kleinen Laden sind vielmehr ein Anlass für von Bengtson, um über die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens zu reden.
Richtig viel über die Hintergründe erfahren wir nicht, beispielsweise warum es keinen Vater in ihrer Familie gibt. Doch die kleinen Alltagsprobleme und Konflikte von Agathe, die sind so universell, dass sich praktisch jeder darin wiederfinden dürfte. Streitigkeiten mit den älteren Geschwistern, die einen ständig aufziehen. Kleine Geschwister, auf die man aufpassen muss. Hinzu kommt, dass sie in der neuen Umgebung niemanden kennt. Wenn das Mädchen sich auf die Suche nach dem Täter begibt, dann ist das gleichzeitig auch die Suche nach sich selbst. Denn wer Agathe ist, das weiß sie selbst nicht so genau, und stürzt sich deshalb immer wieder in Träume.
Der Traum von einem ungewissen Leben
Die können teilweise überraschend düster sein. Und auch ein kleines sprechendes Tier, das anfangs wie ein typischer Disney-Sidekick wirkt, offenbart mit der Zeit eine düstere Seite. Zu jung sollten die Zuschauer deshalb nicht sein, der Beitrag vom Fantoche Animationsfestival geht offensiv und plakativ mit Ängsten um. Insgesamt ist der Ton aber natürlich versöhnlich. Dass Agathe den Fall löst und sich am Ende etwas wohler in ihrer Haut fühlt, daran bestand von Anfang an kein Zweifel. Nur eine wirkliche Aussage will Next Door Spy nicht liefern, von Bengtson kann sich nicht wirklich entscheiden, ob sie für ein Erwachsenwerden oder das Festhalten an Träumen plädieren soll.
Etwas gemischt ist auch der Eindruck, den der Film in visueller Hinsicht hinterlässt. Die stilisierten Designs sind sympathisch und markant, stechen aus der Masse an Animationsfilmen heraus. Die Bilder sind jedoch ebenso einfach wie der Inhalt, von den sehr genügsamen Animationen ganz zu schweigen. Dennoch ist es nett, was die Skandinavier hier abgeliefert haben, ein süßer kleiner Film, der sich mithilfe eines nicht ganz alltäglichen Szenarios den alltäglichen Schwierigkeiten von Kindern zuwendet. Als Erwachsener wird einem nicht ganz so viel geboten, das Zielpublikum ist jedoch gut aufgehoben – auch weil das Tempo hier mal etwas geringer ist, anstatt wie so oft auf Slapstickdauerfeuer zu setzen.
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