Aufregend ist das Leben von Stephanie (Anna Kendrick) nicht gerade. Oder erfolgreich. Wenn sie nicht gerade dabei ist, irgendwelchen Leuten zu helfen oder sich um ihren Sohn Miles (Joshua Satine) zu kümmern, den sie nach dem Tod ihres Mannes allein aufziehen muss, arbeitet sie an ihrem Vlog. Ihre kleine Welt wird eines Tages ziemlich durcheinandergewirbelt, als sie die Mode-PR-Chefin Emily (Blake Lively) kennenlernt, deren Sohn Nicky (Ian Ho) ein Schulkamerad von Miles ist. Trotz ihrer großen Unterschiede freunden die beiden sich an, bis eines Tages Emily spurlos verschwindet. Gemeinsam mit deren Mann Sean (Henry Golding) sucht Stephanie nun nach Spuren von der Vermissten und muss dabei feststellen, dass sie ihre Freundin sehr viel weniger kannte, als sie dachte.
Nur ein kleiner Gefallen gibt einem viele Gründe misstrauisch zu sein. Während des Films natürlich, wenn vieles hier nicht ist, was es zu sein scheint, jeder dunkle Geheimnisse in sich trägt. Aber auch schon vorher, noch bevor man auch nur eine Minute gesehen hat. Anfang 2016 hieß es bereits, dass Darcey Bells damals noch unveröffentlichter Roman adaptiert werden sollte. Warum auch nicht, schließlich hieß es, dass dieser Ähnlichkeiten zu Gone Girl – Das perfekte Opfer und Girl on the Train habe. Als nach einigem hin und her der Regisseur feststand, war die Verwunderung groß. Paul Feig? Der Paul Feig, der bislang nur Komödien gedreht hat? Der Paul Feig, der mit seinem Reboot Ghostbusters einen der meistgehassten Filme der letzten Jahre zu verantworten hat?
Bunter Blick in den Abgrund
Tatsächlich ist Nur ein kleiner Gefallen dann auch beides: Mystery-Thriller und Komödie. Schon beim Vorspann macht Feig klar, dass man besser keinen Genrevertreter wie die Beispiele oben erwarten sollte. Bunt und stylisch ist er, eine klare Abkehr von den düsteren Vorbildern, unterlegt mit schmissigem, französischem Sixties-Pop, wie er auch später immer wieder zu hören sein wird. Nur weil eventuell ein Mensch tot sein könnte, muss man schließlich nicht seine Fröhlichkeit verlieren! Und frau schon gar nicht.
Es sind dann auch die Frauen, die in Nur ein kleiner Gefallen etwas zu sagen haben. Und Feig setzt dabei auf den größtmöglichen Kontrast: Auf der einen Seite die Vorzeigemami, die im Internet Haushaltstipps gibt und Tierchensöckchen aus der Billigabteilung trägt, auf der anderen die Frau von Welt, die schicke Kleidung zur Schau stellt, schon nachmittags Martini schlürft und dabei einen harten Spruch nach dem anderen herausspuckt. Teilweise wird der Film hier, wie auch in anderen Momenten, erstaunlich böse, kontrastiert Albernheit mit Bissigkeit. Spaßig ist aber auch, wenn Stephanie ihre Ermittlungen startet und mit ihren unorthodoxen Homemade-Methoden das eine oder andere Mal an Feigs eigene Komödie Spy – Susan Cooper Undercover erinnert.
Zwischen gestern und heute
Erinnerungen werden hier ohnehin jede Menge geweckt. An klassische Mystery-Thriller, die mal mehr, mal weniger offensichtlich Pate standen zum Beispiel. Des Öfteren wirkt Nur ein kleiner Gefallen dann auch auf eine charmante Weise altmodisch. Bis Stephanie sich wieder ihrem Vlog zuwendet, dabei auch kleine Pfeile gegen voyeuristische Social-Media-Auswüchse verschossen werden. Und auch an anderen Stellen zeigt sich der Film ganz aktuell, schneidet gesellschaftliche Themen an, so als wollte er wirklich etwas über diese Welt sagen, nur um im nächsten Moment bizarre Soap-Opera-Teile einzubauen.
Passt das zusammen? Jein. Die eigenartigen Stimmungsschwankungen und die Neigung, überall und nirgendwo aufzutauchen, an die muss man sich gewöhnen. Nur ein kleiner Gefallen spielt gerne mit dem Publikum, weit über die Wendungen des Mystery-Teils hinaus, nimmt sich selbst nicht so wichtig wie andere Thriller. Spannend ist das dann zwar weniger, nur in dem Sinne, dass man wissen will, in welche Richtung sich das als nächstes bewegt. Ein feministischer Retro-Noir, der gleichzeitig als Parodie funktioniert, Klischees mit einem Augenzwinkern hübsch verpackt. Der vor allem dank der beiden fantastischen Hauptdarstellerinnen funktioniert, wenn eine verklemmt-ulkige Anna Kendrick (The Accountant) und die lasziv-abgründige Blake Lively (The Shallows – Gefahr aus der Tiefe) miteinander harmonieren, obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
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