Wenn jemand über so lange Zeit so sehr das Musikgeschäft mitgeprägt hat wie Quincy Jones, dann ist die Versuchung groß, das Leben in Zahlen zusammenzufassen. Ein paar davon kommen zum Schluss von Quincy Jones – Mann, Künstler, Vater auch pflichtbewusst vorbei, lassen uns wissen, dass der Mann für knapp 3000 Singles und Hunderte von Alben verantwortlich war. Darunter auch Thriller von Michael Jackson, das noch immer den Titel des erfolgreichsten Albums aller Zeiten trägt. Dass die Doku auf dieses Jahrhundertereignis eingeht bzw. die Zusammenarbeit mit Jackson allgemein, ist daher wenig überraschend. Die Passage ist jedoch erfreulicherweise kurz, nur wenige Minuten lang.
Ein langes, spannendes Leben
Erfreulich deshalb, weil es auch so genug zu erzählen gibt über den inzwischen 85-Jährigen, der bis heute nicht Finger und Füße stillhalten kann. Spannend ist vor allem das erste Drittel, das davon erzählt, wie er sich mühsam hochkämpfen musste. Als Sohn einer schizophrenen Frau, die zwangseingewiesen wurde, hatte er privat als Kind jede Menge zu kämpfen. Und natürlich musste er auch das Handicap seiner Hautfarbe überwinden, die ihm den 1940ern und 50ern nicht unbedingt die Türen öffnete. Höchstens die zu Verbrechen: Geboren und aufgewachsen in Chicago war sein direktes Straßenumfeld auf Kriegsfuß mit dem Gesetz. Er selbst wollte damals auch Gangster werden.
Doch das Schicksal meinte es anders, statt in der Gosse oder dem Gefängnis landete er in Tonstudios, auf der Bühne und zumindest indirekt in Millionen von Haushalten, die seiner Musik lauschten. Quincy Jones – Mann, Künstler, Vater, das auf dem Toronto International Film Festival 2018 Premiere feierte, zeichnet diesen Weg nach, von der schwierigen Kindheit über die Schwierigkeiten in einer rassistischen Gesellschaft bis zum Blitzlichtgewitter, das mit dem Leben einer Legende einhergeht. Dabei folgt die Doku prinzipiell zwei Zeitebenen: Die eine zeigt den Künstler in der Gegenwart, wie er beispielsweise mit seiner Gesundheit kämpft oder eine wichtige Veranstaltung organisiert. Die andere ist streng chronologisch.
Best of auf zwei Ebenen
Interessante Infos haben beide Ebenen zu bieten, mal mehr, mal weniger. Mehr als 80 Jahre in einen einzigen Film packen zu wollen, das erlaubt natürlich keinen besonderen Tiefgang, selbst wenn wie hier zwei Stunden zur Verfügung stehen – eine ganze Menge für einen Dokumentarfilm. Oftmals erscheint der Netflix-Titel eher wie eine Art Best-of-Programm, eine Rückschau, die bei einer großen Veranstaltung gezeigt wird, um Preisträger oder Verstorbene zu ehren. Was auch daran liegt, dass Quincy Jones – Mann, Künstler, Vater eine dieser typischen Künstlerdokus ist, die einen Menschen feiern wollen, ohne sich kritisch mit ihm auseinanderzusetzen.
Verständlich ist das, umso mehr da seine Tochter Rashida Jones (Angie Tribeca) Co-Regie führte. Mögliche Verfehlungen hatten da von vornherein keine Chance, genannt zu werden, ein kurzer Verweis au die Untreue von Quincy ist da schon der tiefste Abgrund, der gezeigt wird. Andererseits profitiert der Film auf diese Weise von einem sehr persönlichen Bezug, der viele Privataufnahmen zulässt. Quincy Jones – Mann, Künstler, Vater ist eine Liebeserklärung, die auch tatsächlich von Herzen kommt und die man auch als solche annehmen darf.
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