Uneheliche Kinder kommen in den besten Familien vor. Und die von Mary (Sabrina Kern) gehört nicht wirklich zu den besten Familien. Der Vater ist ein brutaler Trinker, der jüngere Bruder ist tragisch ums Leben gekommen, Mary selbst steht völlig mittellos da, geschwängert von einem Betrüger, der selbst so gar keine Perspektive bietet. Aber zum Glück gibt es spezielle Einrichtungen, die sich diskret solcher Fälle annehmen. Ein richtig gutes Gefühl hat Mary zwar nicht, als sie sich in die Obhut der Mutter Oberin (Carolyn Hennesy) begibt. Denn die macht von Anfang an klar, dass sie ein strenges Regiment führt. Doch wie schlimm die Schwesternschaft wirklich sein würde, das hätte sie im Traum nicht geahnt. Und auch nicht im Albtraum.
Wie die Zeiten sich ändern. Wenn früher Nonnen im Genrekino eine Rolle spielten, dann geschah das oft als Lustobjekt oder als Opfer bösartiger Dämonen. Es ist daher schon bemerkenswert, wie viele Filme zuletzt die heiligen Schwestern zum Ausdruck des personifizierten Grauens machen. In The Little Hours fallen gleich mehrere davon über einen nichtsahnenden Jüngling her, der Kinostart vom Conjuring-Spin-off The Nun steht kurz bevor. Und auch St. Agatha zeigt auf eindrucksvolle Weise, dass der Glaube an Gott nicht unbedingt davon abhält, Gräueltaten zu vollrichten.
Gewalt kann viele Formen annehmen
Das ist wie gemacht für jemanden wie Darren Lynn Bousman. Schließlich hat der sich als Regisseur von mehreren Saw-Teilen einen schrecklichen Namen gemacht, was ihn für die eine oder andere Foltereinlage bestens qualifiziert. Ganz so brutal wie bei seinen (Nicht-)Vorzeigewerken wird es hier jedoch nicht. Stattdessen konzentriert sich der US-Regisseur wie auch schon bei seinem letzten Film Abattoir – Er erwartet dich! lieber auf die unheilvolle Atmosphäre. Das soll nicht heißen, dass es im Schoße der Albtraumschwestern nicht auch mal blutig zugehen darf. Der physische Horror ist aber eher selten.
Vielmehr ist es der psychische Horror, der im Mittelpunkt steht. Das Ergebnis ist dabei jedoch zwiespältiger Natur. Gelungen sind auf jeden Fall die Versuche der Schwestern, den Willen der jungen Frauen zu brechen. Ob es nun sadistische Bestrafungen sind, mit denen sie für Fehlverhalten oder Ungehorsam bestrafen, oder auch der Versuch, die Unglückseligen nach und nach ihrer Identität zu berauben – darunter auch eine Namensänderung, Chihiros Reise ins Zauberland lässt grüßen –, der Film ist ganz geschickt darin, das Leid und die Hoffnungslosigkeit zu verdeutlichen.
Moment, geht gleich weiter
Keinen Gefallen hat sich – oder dem Publikum – aber das aus drei Leuten bestehende Drehbuchteam mit dem Vorhaben getan, Marys Vorgeschichte und Persönlichkeit vertiefen zu wollen. Das ist grundsätzlich zwar immer eine schöne Sache, blasse Final-Girl-Models gibt es im Horrorbereich ja ohnehin viel zu viele. So wirklich was gebracht hat es aber nicht. Auf die Hauptgeschichte haben diese Flashbacks keinen Einfluss, die Handlung bleibt davon fast gänzlich jungfräulich unberührt, interessanter ist Mary dadurch auch nicht geworden. Vor allem führt es dazu, dass das Tempo nie Fahrt aufnimmt. Immer wieder springt der Film hin und her, kommt dabei aber nie von der Stelle, es fehlt an der nötigen Entwicklung.
So ganz überzeugt der Beitrag vom Fantasy Filmfest 2018 daher nicht. In einzelnen Momenten macht es durchaus Spaß, der gläubigen Folter zuzuschauen. Vor allem Carolyn Hennesy als sadistische Obernonne hat einige fabelhafte Auftritte, wenn sie nahtlos von fürsorglich zu dämonisch übergeht. Und auch das Ende sollte beim Zielpublikum auf Gegenliebe stoßen, wenn die Geschichte andere Wege einschlägt und sich auch die Ereignisse überschlagen. Bis es so weit ist, dauert es aber, dauert auch zu lange, St. Agatha steht sich mit zu vielen Szenen selbst im Weg und würgt dadurch die Spannung immer wieder unnötig ab.
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