under the Silver Lake
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Under the Silver Lake

under the Silver Lake
„Under the Silver Lake“ // Deutschland-Start: 6. Dezember 2018 (Kino) // 12. April 2019 (DVD/Blu-ray)

Geld hat der 33-jährige Sam (Andrew Garfield) nicht, auch keine Arbeit. Dafür aber ein schönes Auto und eine schicke Wohnung in einer vornehmen Wohnanlage. Dort verbringt er gerne seine Zeit damit, seine diversen Nachbarinnen zu beobachten. So bleibt ihm dann auch die hübsche Sarah (Riley Keough) nicht verborgen, die neu nebenan eingezogen ist. Es dauert nicht lange, bis die beiden ins Gespräch kommen, eine ganze Nacht plaudern sie durch. Doch am nächsten Morgen kommt das böse Erwachen: Sarah ist fort, komplett mit ihren Sachen ausgezogen. Für Sam steht fest, dass die Geschichte damit noch nicht zu Ende sein darf. Und so begibt er sich auf die Suche nach ihr und kommt dabei einem großen Geheimnis auf die Spur.

So schön es ist, wenn Indie-Regisseure einen echten Hit landen, so gefährlich ist es auch. Denn das bedeutet beim nächsten Mal ganz genau unter die Lupe genommen zu werden und sich größeren Erwartungen stellen zu müssen – vor allem, wenn das Budget entsprechend angehoben wurde und Stars mitspielen. Einer, der das dieses Jahr schmerzvoll erfahren musste, ist David Robert Mitchell. Vor einigen Jahren noch für It Follows gefeiert, einem der meist gelobten Horrorfilme der letzten Zeit, ist sein Folgewerk Under the Silver Lake schon sehr viel umstrittener. Richtig schlechte Kritiken musste der US-Filmemacher dafür zwar bei der Premiere in Cannes nicht einstecken, euphorisch waren die Reaktionen aber auch nicht unbedingt.

Eine Gefahr für Leben und Lachmuskeln
Möglich, dass dies damit zusammenhängt, dass Mitchell eine unerwartete Richtung eingeschlagen. Wer einen Horrorfilm dreht, von dem erwartet man in der Folge einen weiteren Ausflug ins Genre. Und Under the Silver Lake tut ja auch immer mal wieder so, als wäre die mysteriöse Suche von Sam ein eben solcher. Schon früh erfahren wir von einem brutalen Hundekiller, später wird eine dämonische Frau die Gegend unsicher machen, es gibt grausige Tode, bei denen die Vermutung naheliegt, dass jemand nachgeholfen hat. Und doch ist das eben nur die halbe Wahrheit. Wenn überhaupt.

Aber was ist denn nun die Wahrheit? Was steckt hinter dem Verschwinden von Sarah? Gibt es einen geheimen Bund in Los Angeles, der die Fäden zieht, ohne dass es die Bevölkerung mitbekommt? Das sind nur der der vielen Fragen, die Mitchell im Laufe der Zeit provoziert. Hin und wieder mal gibt er auch selbst eine Antwort darauf, lässt es sich dabei aber nicht nehmen, dieser Antwort weitere Fragen folgen zu lassen. Denn jeder Schritt, den Sam macht, jede Begegnung, bringt einen weiteren Hinweis, eine weitere Spur. Oder tut zumindest so als ob.

Eine Reise voller Erinnerungen
Das erinnert an frühere Mystery-Thriller, irgendwo zwischen David Lynch und Alfred Hitchcock, auch weil der Film vollgestopft ist mit Anspielungen und Verweisen. Ein Unterschied jedoch: Under the Silver Lake nimmt das alles mit Humor. Mal Hommage, dann wieder Parodie haben die surrealen Momente trotz ihrer bedrohlichen Atmosphäre fast immer auch etwas Komisches, Übertriebenes. Die Odyssee durch Los Angeles ist ein Rätsel, das sich selbst genügt, das weder gelöst werden muss noch soll, sondern einfach nur Spaß dabei hat, jeden vermeintlichen Fortschritt entweder ins Leere oder ad absurdum zu führen.

Wie viel Spaß man als Zuschauer damit hat, das hängt wie so oft bei derartigen Filmen davon ab, ob man die hier zerhackten Vorlagen kennt und im Idealfall genauso liebt, wie Mitchel es offensichtlich tut. Die können musikalischer Natur sein – wie bei It Follows komponierte Disasterpeace den Score, dazu gibt es einen geradezu unverschämt nostalgischen Soundtrack. Filmische Vorbilder verfolgen einen hier ohnehin, bis ins Grab hinein. Und wenn dann auch noch Videospiele aus den 80ern ausgepackt werden, die hier ebenso selbstverständlich dazugehören wie Smartphones, dann sind wir endgültig in einem Wunderland gelandet, in dem alles zusammenkommt, was nicht zusammengehört. Zudem sieht das Popzitatequiz fantastisch aus, macht aus Los Angeles einen Platz der Träume und der finsteren Verschwörungen, einen Abenteuerspielplatz mit Gratis-Schatzkarte, die zwar am Ende vielleicht nirgendwo wirklich hinführt, dabei aber so sympathisch willkürlich ist, dass selbst die etwas großzügig bemessene Laufzeit von knapp 140 Minuten nicht wirklich ins Gewicht fällt. Denn Zeit spielt in Under the Silver Lake keine Rolle. Nicht einmal, wenn sie zu Ende geht.



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Oh, das muss ein neuer Hinweis sein! Wenn in „Under the Silver Lake“ ein unterbeschäftigter Nichtstuer seiner verschwundenen Nachbarin nachspürt, dann wird das zu einer abstrusen Schnitzeljagd quer durch Los Angeles und die Geschichte der Unterhaltungsindustrie. Am meisten Spaß macht die Sinnsuche, wenn man die vielen Wegweiser unterwegs zuweisen kann, nostalgisch veranlagt ist und diese Reise nicht des Zieles wegen antritt. Denn das spielt wie so vieles hier keine echte Rolle.
7
von 10