Wach

Wach

WachDie beiden Freundinnen C. (Jana McKinnon) und Nike (Alli Neuman) haben einen Plan: Sie wollen das Leben kennenlernen, in vollem Bewusstsein dabei sein, ohne Drogen, ohne Schlaf, sich dabei mit einer Kamera unsterblich machen. Je länger sie es schaffen, wach zu bleiben, umso besser, ohne sich von der Zeit etwas vorschreiben zu lassen. Oder sonst jemandem. Als Nikes Vater früher nach Hause kommt, heißt es jedoch improvisieren, das Experiment auf den Straßen dieser Welt fortsetzen. Aber das ist leichter gesagt denn getan, vor allem für zwei 17-Jährige ohne Geld. Und je länger sie diesen Wachzustand fortsetzen, umso gefährlicher wird ihr nächtlicher Ausflug.

Zugegeben, man durfte bei der Ankündigung von Wach schon ein wenig skeptisch sein. Ein Film, der damit Werbung macht, als erster überhaupt gleichzeitig Premiere im Fernsehen und auf YouTube zu feiern, das klingt schon sehr nach Gimmick. Und auch, dass es sich um das Filmdebüt von Kim Frank handelt, dessen Bekanntheit noch immer in erster Linie aus seiner Zeit als Frontman der Boyband Echt rührt, steigerte nicht unbedingt die Erwartungen. Dabei war der gebürtige Flensburger in den letzten Jahren durchaus aktiv und gefragt: nur eben nicht auf der Bühne oder vor der Kamera, sondern dahinter, als Regisseur von Musikvideos.

Ein Rausch aus Bild und Musik

Wie ein solches wirkt Wach dann auch über weite Strecken. Eine richtige Geschichte erzählt Frank in seinem Film weniger. Stattdessen leben die einzelnen Episoden während des Trips von dem Zusammenspiel von Bild und Musik, sind mehr Gefühl und Stimmung als in Worte fassbare Handlung. Ein Gefühl der Freiheit, gekoppelt an einen unbändigen Lebenshunger, der sich in einem zunehmend intensiveren Rausch ausdrückt. Eine Mischung aus den eskalierenden Eskapaden von Tiger Girl und dem spontanen Partytreiben von So was von da, wenn man so will.

Dabei kann einem zuweilen schon etwas schwindlig werden, wenn Frank mit seiner Handkamera bewaffnet seinen beiden Protagonistinnen hinterherhechelt, die sich von nichts und niemandem aufhalten lassen wollen. Nicht einmal von sich selbst. Das ist dem bis vor einigen Jahren noch so populären Found-Footage-Gehabe im Horrorbereich ganz ähnlich. Nur dass die Dämonen hier nicht in dunklen Wäldern oder verlassenen Gemäuern unterwegs sind, sondern durch das pulsierende Nachtleben jagen. Nicht verborgene Grausamkeiten vergangener Zeiten sind, sondern Manifestation vom hier und jetzt, von einer Jugend, die den Kick sucht und ihn in der Schlaflosigkeit zu finden hofft.

Ein existenzieller Blick am Leben vorbei

Wie effektiv das sein kann, das wird jeder bestätigen, der selbst schon einmal die Nacht zum Tag gemacht, ohne den verpassten Schlaf anderweitig nachholen zu können. Berauscht und verwirrt, verloren in einem zeitlosen Traum, der selbst die alltäglichsten Szenen zu etwas Außergewöhnlichem machen kann. Nur dass Frank sich nicht so recht zwischen Alltäglichem und Außergewöhnlichem entscheiden mag und stattdessen eine Verbindung aus beidem sucht. Je weiter die Nacht und der Tag und die Nacht voranschreiten, umso weniger Berührungspunkte gibt es noch mit dem normalen Leben. Da checkt man schon mal in einer Luxussuite ein, nachdem man zuvor zufällig einem jungen, überaus wohlhabendem Mann begegnet ist.

Im starken Gegensatz dazu stehen die per Voice over vorgetragenen Gedanken und Ausführungen, die sich mit sehr existenziellen Themen auseinandersetzen. Was heißt es, als junger Mensch auf dieser Welt zu leben? Was bedeutet Leben an sich? Wach gibt darauf keine wirklichen Antworten, ist mehr träumerische Assoziationskette. Ein klarer Moment in einem Geist, der sich auf einer fortwährenden Party berauscht hat, an Alkohol, an anderen Menschen, an Erfahrungen. Ein Moment, von dem nur diffuse Erinnerungen bleiben, wenn die Party vorbei ist, wenn nach 75 Minuten die Credits über den Bildschirm flimmern. Einer, der dennoch auf seine Weise unvergesslich ist, ein hypnotischer Trip, um das Zentrum des Lebens kreisen, dabei alles so nah erscheinen lässt, während Träume, Ängste und Tod vor unserem inneren und äußeren Auge an uns vorbeiziehen.



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Wach
fazit
Zwei 17-Jährige beschließen die Nacht zum Tag zu machen und so lange wie möglich wach zu bleiben. „Wach“ ist dabei oft eher assoziatives Stimmungskino als narrativer Film, auch wenn inmitten des hypnotischen Bilderrauschs viele existenzielle Fragen aufkommen. Das Ergebnis ist ein irre faszinierender Trip, der sich zuweilen zwar zu stark vom Leben entfernt, und doch jede Menge dazu zu sagen hat.
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