Sie kamen eines Nachts, ganz unerwartet und ohne Ankündigung. Das Ziel: die Maschinen mitnehmen. Die Angestellten der portugiesischen Anzugfabrik sind darüber nur wenig glücklich. Denn was sollen sie jetzt dort tun, so ganz ohne Ausrüstung? Sicher, schon vorher war da nicht viel zu tun, die Fabrik leidet unter der wirtschaftlichen Krise des Landes. Aus diesem Grund haben die Besitzer auch beschlossen, alles dichtzumachen, die Leute mittels Abfindungen loszuwerden. Doch nicht alle wollen sich darauf einlassen. Stattdessen kommen sie auch weiter in die Fabrik, weigern sich, diese zu verlassen, wollen lieber alles selbst verwalten. Was aber nicht einfach ist ohne Geld.
Eines muss man Pedro Pinho lassen: Er kümmert sich kein Stück darum, was in Kinos angesagt ist, wofür sich die Leute interessieren, wie Filme auszusehen haben, die ein größeres Publikum ansprechen wollen. Das fängt schon bei der Laufzeit an, die bei A Fábrica de Nada knapp drei Stunden geht. Hin und wieder nehmen Kinos solche Werke natürlich schon ins Programm. Dann handelt es sich jedoch oft um Blockbuster, die mit Unmengen von Spezialeffekten und großen Stars dafür sorgen wollen, dass die Zuschauer nicht nach zwei Stunden schon den Saal verlassen.
Und was machen wir heute?
A Fábrica de Nada hat weder das eine, noch das andere. Seine Geschichte erzählt der portugiesische Filmemacher nur mit Laiendarstellern, Spezialeffekte gibt es keine. Oder Action. Man könnte sich sogar darüber streiten, ob das Drama überhaupt eine Form der Handlung hat. Dann und wann zeigt Pinho seine Protagonisten auch mal in ihrem Privatleben, beim Sex zum Beispiel. Die meiste Zeit aber stehen sie irgendwo in der Gegend herum, tun entweder nichts, weil es ja nichts zu tun gibt. Oder sie streiten sich.
Das erinnert manchmal ein wenig an Zwei Tage, eine Nacht. In beiden Fällen müssen sich die Angestellten eines Unternehmens in der Krise mit der Frage auseinandersetzen, ob sie Geld annehmen, auf Kosten der Gemeinschaft. Während dort jedoch alles anhand einer gefeuerten Mitarbeiterin aufgezogen wurde, die Auseinandersetzung also ein Gesicht bekam, da verzichtet A Fábrica de Nada auf eindeutige Identifikationsfiguren. Auch wenn wir die Angestellten eine ganze Zeit lang begleiten dürfen, wirklich kennenlernen wird man keinen von ihnen. In den meisten Fällen erfahren wir nicht mal, wie sie heißen.
Die musikalische Schmucklosigkeit
Eine ganze Weile scheint A Fábrica de Nada dann auch eines dieser Sozialdramen zu sein, die betont schmucklos und authentisch über große gesellschaftliche Themen reden wollen. Engagiert, oft politisch motiviert, eine Anklage an die da oben. Dramen, die mehr Dokumentation als wirklich Spielfilm sind. Mit der Zeit verwandelt sich das Werk, das auf der Directors’ Fortnight in Cannes 2017 debütierte, jedoch in etwas anderes. Anstatt das anfängliche Konzept weiterzuführen, schleichen sich zunehmend Elemente hinein, die man dort nicht vermuten würde. Die auch bewusst unpassend sind.
Während die ständigen Diskussionen, die auch mal ins Philosophische wechseln, eher ermüden und den Fluss unterbrechen, sind gerade die wortlosen Szenen stark. Wenn sich das Leben in der Fabrik verselbständigt, die Leute auf skurrile bis surreale Weise einen Sinn in ihrer Nichtsnutzigkeit suchen. Zum Ende hin entdeckt A Fábrica de Nada sogar sein musikalisches Herz, das Drama wird zu einem bizarren Musical. Wenn wir schon nichts zu tun haben, dann sollten wir es wenigstens feiern! Ein Fest ist der Film dann auch in erster Linie für ein experimentierfreudiges Arthouse-Publikum, das sich weder an der Länge, noch an der wenig einheitlichen Linie stört. Dann zumindest darf man sich auf ein Werk freuen, das aufzeigt, wie sozial wichtige Themen auch einmal anders angegangen werden können. Die Fabrik mag am Ende nichts mehr produzieren, wie der Titel verrät. Man erinnert sich aber doch gern an die gemeinsame Zeit zurück – selbst wenn man vielleicht nicht unbedingt ein zweites Mal dorthin zurückkehren wollte.
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