Der Schock ist groß, als der Rechtsmediziner Paul Herzfeld (Moritz Bleibtreu) die Leiche der Frau obduziert: Versteckt in einer kleinen Kapsel findet er Namen und Nummer seiner Tochter Hannah (Barbara Prakopenka). Eine Entführung, so viel steht schnell fest. Und Paul hat auch schon eine Ahnung, wer dahintersteckt: der berüchtigte Sadist Jan Erik Sadler (Lars Eidinger). Während er zusammen mit seinem Praktikanten Ingolf (Enno Hesse) Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um nach Helgoland zu kommen, wo die Lösung des Rätsels liegen soll, beauftragt er die junge Comiczeichnerin Linda (Jasna Fritzi Bauer) und den Hausmeister Ender (Fahri Yardım) vor Ort, sich mit einem gefundenen Toten zu befassen. Denn das eingeschneite Helgoland ist völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Und der Mörder wohl noch auf der Insel.
Wer sich auf einsame Inseln zurückzieht, der tut das oft aus Gründen der Entspannung, um Menschen zu entkommen, vielleicht auch, um das gute Wetter zu genießen. Bei Abgeschnitten trifft das weniger zu. Nicht nur dass es bitterkalt und dunkel ist, Linda beim Herumstolpern die eigene Hand nicht vor den Augen sieht. Wenn zudem ein Mörder dort sein Unwesen treibt oder zumindest die Gefahr dafür besteht, dann ist das mit der Ruhe schnell vorbei. Der Prototyp für ein solches Szenario ist natürlich der Krimiklassiker Und dann gabs keines mehr von Agatha Christie, wo zehn Gäste mit einem mörderischen Unbekannten eingesperrt sind.
Der Schauplatz als Täter
Der Handlungsstrang auf der Insel ist dann auch der spannendere der beiden. Als wäre es nicht schon schlimm genug, sich einen überschaubaren, düsteren Raum mit einem Killer zu teilen, eventuell auch dem Stalker, der Linda auf den Fersen ist: Abgeschnitten spielt auch noch in einer unterirdischen Leichenhalle. Da muss gar nicht viel passieren, damit ein beklemmendes Gefühl entsteht. Regisseur Christian Alvart (Banklady, Steig. Nicht. Aus!) reichen hier auch überschaubare Mittel, um die Nerven des Publikums ziemlich zu foltern. Vermeintliche Fußschritte, ein Knarren im Hintergrund, der Film bedient sich effektiv der Mittel des Horrorgenres.
Gleichzeitig entbehrt das Geschehen aber auch nicht einer gewissen Komik. Wenn die unbedarfte Comiczeichnerin im Auftrag des Rechtsmediziners sehr viel engeren Kontakt zu Leichen hat, als das ein Normalsterblicher von sich behaupten kann und will, dann ist das schnell mit Galgenhumor verbunden. Weniger geglückt ist die Figur des völlig unfähigen Praktikanten, der als großgewachsener Trottel wohl ebenfalls für Comic Relief sorgen soll. Anstatt diesen Job zu erfüllen, geht er einem schnell auf die Nerven, hat zudem nur wenig zur Geschichte beizutragen. Man hätte ihn auch gut und gerne komplett rausnehmen können, ohne dass dies ein größerer Verlust gewesen wäre.
Logik ist heute alle
Ohnehin ist der Inhalt eine zweischneidige Angelegenheit. Während es durchaus spaßig ist, Paul und Co. bei der blutigen Schnitzeljagd im nächtlichen Schnee zuzusehen und auch die moralische Komponente zum Ende in Ordnung geht, sollte man jeden Anspruch an Logik daheimlassen. Im Kinosaal ist hierfür kein Platz. Schon die Umstände, wie Paul zu seinem Ermittlungsglück kommt, sind abstrus. Und das ist nur der Anfang. Je länger die Adaption des Romans von Sebastian Fitzek und Michael Tsokos andauert, umso absurder wird das Geschehen, umso willkürlicher die Rätsel und Ereignisse. Zum Ende hin wird es so over the top, dass die Anspannung immer wieder droht, schallendem Gelächter Platz zu machen.
Nein, für Feingeister ist der Thriller nicht, weder in Hinblick auf den Inhalt noch die expliziten Körperschnippelszenen. Oder auch die Darstellungen. Dass Lars Eidinger (Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm) hier als irrer Sadist seinem Hang zum Overacting dann auch mal so richtig nach Herzenslust nachgeben kann, dürfte ihn sicher gefreut haben. Aber das bedeutet eben auch einen gesteigerten Unterhaltungswert, so wie die Darsteller allgemein ein großes Plus des Films sind. Gerade die mal paranoid, dann wieder gewohnt schnippisch auftretende Jasna Fritzi Bauer (Axolotl Overkill) hilft doch dabei, dass das Publikum in dem allgegenwärtigen Wahnsinn nicht ganz untergeht. Wer darüber hinwegsehen kann, dass das hier alles großer Blödsinn ist und mal wieder Lust auf düstere Genrekost hat, der sollte durchaus mit einem Ticketkauf liebäugeln.
(Anzeige)