Einen eigenen Kopf hat Astrid Ericsson (Alba August) schon immer gehabt, weshalb sie auch regelmäßig kleinere Konflikte mit ihren Eltern (Marie Bonnevie, Magnus Krepper) austrägt. Doch das größte Problem steht an, als sie Praktikantin bei Blomberg (Henrik Rafaelsen) wird, dem Herausgeber der lokalen Zeitung. Denn obwohl der verheiratet und deutlich älter ist: Es dauert nicht lange, bis Gefühle zwischen den beiden entstehen. Ehe Astrid es sich versieht, ist sie schwanger. Auf Druck der Eltern gibt sie ihren Sohn an die Pflegemutter Maria (Trine Dyrholm) ab, die sich liebevoll um den Kleinen kümmert. Astrid fällt es jedoch zunehmend schwerer, ihr Kind nicht bei sich haben zu können. Und auch die Beziehung zu Blomberg beginnt zu kriseln.
Sie hat Generationen von Kindern (und Erwachsenen) verzaubert, mehr als 165 Millionen Bücher verkauft, uns zeitlose und fantasievolle Klassiker wie Pipi Langstrumpf und Ronja Räubertochter geschenkt: Ganz klar, Astrid Lindgren zählt zu den größten Autorinnen des 20. Jahrhunderts. Und auch im Kino und daheim vor dem Fernseher hat sie uns durch die vielen Adaptionen jahrelang begleitet. Umso erstaunlicher ist es, dass ihr eigenes Leben bislang filmisch kaum aufgearbeitet wurde. Vor allem, da dieses sehr viel weniger glücklich war, als es einem ihre optimistisch stimmenden Bücher glauben machen wollten.
Die Geschichte einer schwierigen Jugend
Das hierzulande schlicht Astrid betitelte Drama holt dieses Versäumnis nun nach. Dabei konzentriert sich der Film, wie der schwedische und der internationale Titel verraten, auf ihre jungen Jahre. Eine Zeit also, in der sie zwar schon zu schreiben begann, aber weit davon entfernt war, eine weltbekannte Autorin zu sein. Vielmehr steht der Privatmensch im Vordergrund, das Aufwachsen in einer strengen Idylle und die spätere Tragödie um ihr uneheliches Kind, das sie nicht bei sich behalten durfte – denn was sollten dann die Leute sagen?
Kleinere Verschränkungen mit ihren großen schriftstellerischen Erfolgen gibt es, Regisseurin und Co-Autorin Pernille Fischer Christensen packt die Jugendjahre in einen größeren Rahmen: Astrid Lindgren ist hier eine alte Frau, die diverse Glückwunschbriefe, Karten und Kassetten zum Geburtstag begutachtet. Gebraucht hätte es die Rahmenhandlung nicht, dafür sind die Parallelen zwischen den Themen der Glückwunschnachrichten und dem realen Leben zu schwach. Manchmal meint man gar, diese wiederkehrenden Einschübe wären allein aus dem Grund im Film, damit das Publikum nicht vergisst, wen es da vor sich sieht. Wer einmal aus dem ungestümen, traurigen Mädchen werden wird.
Alles beim alten
Dafür wäre an anderen Stellen etwas mehr Mut zu Kreativität schön gewesen. Gerade bei einem Film über Lindgren, deren große Stärke ihre fantasievolle Einfühlsamkeit war, hätte Christensen sich nicht ganz so sklavisch an die Konventionen eines Biopics halten müssen. Hätte etwas spielerischer mit der Materie umgehen dürfen. Gleichzeitig verdanken wir der eher nüchternen Herangehensweise, dass Astrid auf zu große emotionale Manipulationen verzichtet. Oder auf Kitsch. Und beides hätte hier leicht wahr werden können, der Stoff um Affären, uneheliche Kinder und erzwungene Distanz bietet sich an für einen erhöhten Taschentuchverbrauch.
Stattdessen verlässt sich die dänische Filmemacherin ganz auf ihre Darsteller. Und sie tut gut daran. Alba August (The Rain) ist eine Entdeckung, durch sie wird Astrid zu einer selbstbewussten, lebenshungrigen und doch auch etwas naiven Frau, die erst noch lernen muss, wie die Welt funktioniert. Das Drama, welches auf der Berlinale 2018 Premiere feierte, stellt diese finsteren Momente gleichberechtigt an die Seite von glücklichen Momenten, wenn die junge Schwedin Nähe und Fürsorge findet. Astrid endet dann auch mit einer versöhnlichen Note, gibt dem Publikum die Hoffnung mit, die Lindgren selbst in ihren Büchern mit uns teilte – auch wenn ihr Leben hier und später nicht immer Anlass dafür gab.
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