1843 gehört Charles Dickens (Dan Stevens) zu den bedeutendsten aktuellen Schriftstellern, die England zu bieten hat. Oder hatte. Denn auch wenn der 31-jährige Autor eine Reihe erfolgreicher Bücher und Stücke geschrieben hat, seine letzten Werke waren ziemliche Flops. Ein neuer Hit muss her, so viel ist klar, denn langsam wird auch das Geld daheim knapp. Eine Idee hat Charles schon, er will eine Weihnachtsgeschichte schreiben. Aber die Zeit drängt, niemand glaubt an sein Werk, auch inhaltlich kommt er nicht so recht mit dem Buch voran. Erst als er seine Figuren zu Leben erweckt, allen voran den grimmigen Geizkragen Ebenezer Scrooge (Christopher Plummer), scheint das Weihnachtswunder wahr zu werden.
Geschichten, die an Weihnachten spielen oder dieses thematisieren, die gibt es natürlich wie Nadeln an einem Tannenbaum. Und doch dürfte es keine geben, die einem schneller in den Sinn kommt als Eine Weihnachtsgeschichte bzw. A Christmas Carol von Charles Dickens. Dutzende Male wurde das Büchlein fürs Kino oder das Fernsehen adaptiert, weitere Dutzend Male für die Bühne oder das Radio – von den unzähligen inspirierten Werken ganz zu schweigen, welche sich am Klassiker bedient haben. Aus gutem Grund: Niemand schaffte es vergleichbar prägnant in Worte zu fassen, was wir gefühlsmäßig mit Weihnachten verbinden. Die Läuterung des knauserigen Menschenfeinds Scrooge lässt uns an das Gute im Menschen glauben, an Wunder und Magie.
Das Wunder, das dem Elend entsprang
Dabei war der Hintergrund der Geschichte alles andere als magisch, zumindest wenn es nach Charles Dickens – Der Mann der Weihnachten erfand geht. Basierend auf dem Buch von Les Standiford erzählt der Film, wie sehr der Autor mit einer Schreibblockade zu kämpfen hatte, mit finanziellen Sorgen, aber auch familiären Schwierigkeiten. Allen voran Charles’ Vater John (Jonathan Pryce) machte ihm zu schaffen, von frühester Kindheit an. Denn der konnte nie mit Geld umgehen, wurde sogar deswegen ins Gefängnis gesteckt, und zwang seinen Sohn auf diese Weise, auf eigenen Beinen zu stehen und selbst etwas zu verdienen.
Ein bitterer Stoff also, der hier jedoch mit sehr viel Leichtigkeit wiedergegeben wird. Und sehr viel dichterischer Freiheit. Tatsächlich ist Charles Dickens einer Komödie oft näher als einem Drama. Das liegt überraschendweise vor allem auch an Scrooge selbst. Der ist zwar nach wie vor grimmig, geizig und kein Freund der Menschen. Dafür aber überaus scharfzüngig: Seine abschätzigen Kommentare und bissigen Zwischenrufe, wenn er es sich im Leben seines Schöpfers bequem macht, die durchschneiden selbst die düsterste Stimmung. Zudem ist es doch immer wieder lustig, wenn sich Figuren in Filmen mit imaginären Freunden unterhalten, die sonst keiner sehen kann. Selbst wenn es sich streng genommen nicht um Freunde handelt.
Komische Hirngespinste auf Schritt und Tritt
Je weiter der Film voranschreitet, je mehr Figuren sich im Schreibzimmer des Autors tummeln oder ihn auf Schritt und Tritt verfolgen, umso lustiger wird er, umso absurder wird er. Zumal Charles Dickens dafür Idealbesetzungen gefunden hat: Dan Stevens (Die Schöne und das Biest) als zunehmend angespannter, hysterischer Künstler, Christopher Plummer (Alles Geld der Welt) als schroffes Hirngespinst, das keine Gelegenheit ungenutzt lässt, Dickens das Leben zur Hölle zu machen. Im Vergleich zu den beiden oder auch Vater John sind die Frauenfiguren hier deutlich geerdeter, normaler. Langweiliger.
Bei all dem verspielten Spaß um den Autor in Nöten: Ganz ohne Gefühle geht es natürlich nicht. Dass sich Dickens am Ende mit seinem Vater und seiner Geschichte versöhnen wird, den Geistern der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, das stand hier schon fest, noch bevor überhaupt eine der Erscheinungen auftauchte. Der Kitsch hält sich dabei jedoch glücklicherweise in Grenzen. Selbst Zynikern fällt es hier schwer, bei so viel Charme standhaft zu bleiben, und nicht à la Scrooge weich zu werden. Zusammen mit der schönen Ausstattung ist Charles Dickens – Der Mann der Weihnachten erfand daher ideal für das kommende Fest, verbindet Herz und Humor zu einem Weihnachtsmärchen, das gleichzeitig altbekannt und doch erfrischend schrullig ist.
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