Die ALDI Brueder
© WDR/Kai Schulz

Die ALDI-Brüder

Die ALDI Brueder
„Die ALDI-Brüder“ // Deutschland-Start: 22. Oktober 2018 (TV) // 26. Oktober 2018 (DVD)

Der Kunde ist König. Aber auch ein König kann ja mal selbst an- und einpacken: Als die Brüder Theo (Arnd Klawitter) und Karl Albrecht (Christoph Bach) nach dem Zweiten Weltkrieg den Laden ihrer Mutter übernehmen, machen sie alles anders. Wie kein anderer setzen sie auf niedrige Preise und führen auch das Prinzip der Selbstbedienung ein. Der Erfolg gibt ihnen Recht: Schon bald expandieren sie gewaltig, aus einem Laden werden erst vier, später Dutzende. Doch das ruft nicht nur Nachahmer auf den Plan, sondern auch Neider. Und auch die beiden Brüder sind sich nicht immer einige, wie das gemeinsame Geschäft laufen soll. Doch als Theo 1971 von Heinz-Joachim Ollenburg (Peter Kurth) und Paul Kron (Ronald Kukulies) entführt wird, ist das die Gelegenheit für beide, ihre Differenzen zu überwinden.

Erfolgreiche Familienunternehmen gab und gibt es in Deutschland natürlich einige. Kaum eines ist jedoch auch international so stark vertreten wie Aldi, das auf einen kleinen, 1913 gegründeten Tante-Emma-Laden zurückgeht. Das ist eigentlich wie gemacht für eine filmische Aufarbeitung, umso mehr, da sich das Unternehmen 1961 in zwei Teile aufspaltete – Aldi Nord und Aldi Süd –, jeweils geleitet von einem der beiden Brüder. Das riecht geradezu nach großem Familiendrama, nach schweren Überwerfungen, die man zum Wohle des skandalhungrigen Publikums ausschlachten kann.

Auf der Jagd nach zwei Phantomen
Anders aber als der filmisch mehrfach festgehaltene Streit der Brüder Adolf und Rudolf Dassler (Die Dasslers – Pioniere, Brüder und Rivalen), welche sich als Chefs von Adidas und Puma bekriegten, waren die Albrechts bislang recht abwesend. Aus gutem Grund. Zum einen sind die beiden inzwischen unabhängigen Unternehmen nicht in der Form Konkurrenten wie die der Sportschuhe-Brüder, da bei der Trennung Deutschland in zwei Wirkungsbereiche aufgeteilt wurde. Dadurch kamen sich beide nicht in die Quere. Zum anderen waren die Albrechts berühmt dafür, sich komplett von der Öffentlichkeit fernzuhalten. Interviews gaben sie praktisch nicht, selbst Fotos waren immer Mangelware. Das machen Biopics naturgemäß schwierig.

Raymond Ley, der hier Regie führte und auch am Drehbuch mitschrieb, wagte sich dennoch daran, den beiden ein filmisches Denkmal zu setzen. Inhaltlich fährt er hierfür zweigleisig. Der erste Strang erzählt chronologisch, wie aus einem Tante-Emma-Laden ein Weltkonzern werden konnte und wie maßgeblich Aldi unser Einkaufsverhalten änderte – auch außerhalb der Discounter. Der zweite befasst sich mit der Entführung von Theo, durch die er unfreiwillig doch noch die Medien beherrschte, als er 17 Tage in der Hand von Unbekannten war. Beide Stränge werden als Spielfilmszenen nachgestellt, mit professionellen Schauspielern, einzeln durch Interviews ergänzt – vergleichbar zu Die Unsichtbaren – Wir wollen leben im letzten Jahr.

Entgegen der Laufrichtung
Interessant ist, dass die beiden Stränge nicht deutlich als solche markiert werden. Wenn zu Beginn der Entführung Theo Albrecht bekannt gibt, dass Aldi zwei Unternehmen sind, davon im anderen Strang aber noch nichts zu sehen ist, dann dürfte der eine oder andere im Publikum ebenso verwirrt dreinschauen wie die Entführer. Letzteren wird dabei auffallend viel Platz eingeräumt. Das ist etwas überraschend angesichts des Titels, jedoch kein echter Nachteil. Es kommt auf diese weise sogar ein höherer Unterhaltungsfaktor in die Geschichte, wenn Peter Kurth (Herbert) und Ronald Kukulies (Ballon) zwei Kidnapper darstellen, die sich als so viel mehr ausgeben, als sie in Wirklichkeit sind.

Insgesamt ist Die ALDI-Brüder, das auf dem Film Festival Cologne 2018 Premiere feierte, ein recht kurzweiliger Einblick in das Leben der zwei. Sonderlich viel Tiefgang sollte man natürlich nicht erwarten, das lassen weder die zeitlichen Begrenzungen eines TV-Films noch die Verschwiegenheit der Familie zu. Ein wenig schwer tut sich das Doku-Drama dann auch damit, den zweien eine richtige Persönlichkeit zuordnen zu wollen, selbst die Interviewpartner bleiben hier vage. Der Eigenanspruch einer Charakterstudie ist dann doch etwas zu hoch gegriffen. Aber auch so gehört diese Doppelgeschichte zu den sehenswerteren Fensehfilmen der letzten Zeit, hält gut die Balance aus purer Information und reiner Unterhaltung.



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Wer waren die beiden Brüder eigentlich, die das Discount-Imperium Aldi schufen? Eine richtige Antwort hierauf bietet „Die ALDI-Brüder“ zwar nicht, für eine Charakterstudie ist das zu dünn. Das Doku-Drama gibt aber durch die Verknüpfung der Unternehmensgeschichte mit dem Entführungsfall 1971 einen unterhaltsamen Einblick in das Leben der zwei Pioniere.
7
von 10