Eines muss man Netflix ja lassen, sie investieren jede Menge, damit auch ja jeder fürs kommende Halloween etwas zum Anschauen hat. Neben den lang erwarteten Serien Spuk in Hill House und Chilling Adventures of Sabrina gibt es eine Reihe von Filmen (Apostle, Kuntilanak), ein bisschen was für die Kids (Die Supermonster), die Fortsetzung des Videospielhits Castlevania, nicht zu vergessen die kuriose Back-Puppen-Fantasy-Comedy Die kuriosen Kreationen der Christine McConnell. Was könnte da noch fehlen? Richtig, eine Dokumentation für all die Zuschauer, die sich am liebsten über reale Vorfälle gruseln.
Das ist im Prinzip richtig clever. Schließlich erfreuen sich die vielen True Crime Dokus des Streamingprimus einer enormen Beliebtheit. Warum nicht einfach die Verbrechen durch unerklärliche Vorkommnisse ersetzen? Etwas, das so nahe dran ist an unserem Leben, dass wir im Anschluss nicht mehr freiwillig das Haus verlassen und noch mehr Netflix schauen? Also schnappte man sich hier ein halbes Dutzend Leute, die irgendwann einmal sehr unheimliche Erfahrungen gesammelt haben, und lässt diese aus dem Nähkästchen plaudern.
Und warum sollte ich das jetzt glauben?
So plausibel sich das Konzept anhört, so wenig überzeugend ist jedoch das Ergebnis von Heimgesucht: Unglaubliche Zeugenberichte. Das erste große Problem: die mangelnde Glaubwürdigkeit. Denn wenn man schon zu Beginn jeder Folge mit breiter Brust darauf hinweist, dass jede Geschichte wahr ist, dann sollte man da auch schon ein bisschen was mitliefern, das diese Behauptung unterstützt. An einer Stelle gibt es eine Frau, die von der Entführung durch Außerirdische berichtet und dies mit einer Aussage ihrer Therapeutin bekräftigen will. Denn viele andere wären mit derselben Geschichte zu ihr gekommen.
Das ist schon der Gipfel an Faktenuntermauerung. Und selbst der ist überschaubar: Die fragliche Therapeutin kommt hier gar nicht vor, sondern wird nur in der dritten Person zitiert. Das gilt dann auch für den kompletten Rest von Heimgesucht: Unglaubliche Zeugenberichte: Die Serie besteht einzig und allein aus den Erzählungen der Betroffenen. Das kann man nun glauben oder nicht. Die wenigsten dürften das jedoch tun, sich eher die Frage stellen: Sind die Leute da engagierte Darsteller oder glauben sie an das, was sie erzählen? Ist die Serie Betrug am Zuschauer oder die zynische Ausschlachtung von Traumata?
Allein mit einem Mörder
Zumindest teilweise haben es die Geschichten dafür in sich. Die spannendste ist dabei die, in der eine Frau bei einem vermeintlichen Serienmörder aufgewachsen ist. Ihr zuzuhören, ist zwar mit einem unangenehm voyeuristischen Beigeschmack verbunden. Immerhin aber darf man an der Stelle noch das Gefühl haben, dass da etwas dran sein könnte – bevor die Folge eine übernatürliche Richtung einschlägt. Ansonsten besteht Heimgesucht: Unglaubliche Zeugenberichte größtenteils jedoch aus recht austauschbaren Schauermärchen rund um Geister und Dämonen, die keinen Teufel hinter dem Ofen hervorholen.
Das Problem ist aber nicht nur der Inhalt, der für die Wahrheit zu unglaubwürdig und für eine Lüge zu fade ist. Auch die Umsetzung lässt zu wünschen übrig. Alle sechs Folgen verfahren dabei nach demselben Prinzip: Die Geschichte wird von der betroffenen Person erzählt und dabei oft durch nachgespielte Szenen verdeutlicht. Während Letztere ordentlich umgesetzt sind, zumindest innerhalb des Rahmens, beschränken sich die Erzählrunden darauf, dass das Opfer in einem düsteren Raum sitzt, umgeben von Freunden und Familien, die kräftig nicken, mitleidig schauen, manchmal auch ein „Oh Gott, ich glaub das nicht!“ einwerfen. Das sieht dann mehr nach Nachmittags-Talkshow aus als nach Gruselstunde, soll vermutlich betroffen machen, ist aber so peinlich inszeniert, dass es eher ärgert oder amüsiert.
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