Night Is Short Walk On Girl
© Tomihiko Morimi,KADOKAWA/NAKAME COMMITTEE

Night Is Short, Walk On Girl

Night Is Short Walk On Girl
„Night Is Short, Walk On Girl“ // Deutschland-Start: 30. Oktober 2018 (Kino)

Für den jungen Studenten ist klar, es kann nur eine geben: die junge Frau mit den schwarzen Haaren und dem äußerst trinkfesten Magen. Leider kommt ihm dabei aber immer wieder seine Schüchternheit dazwischen. Er traut sich einfach nicht, seine Angebetete bei der Party anzusprechen. Aber Aufgeben gilt nicht. Und so entschließt er sich, der Schönen einfach in die Nacht zu folgen. Irgendwann wird sich schon die Gelegenheit ergeben, ihre Gunst zu gewinnen. Das Objekt der Begierde hat derweil anderweitig genug zu tun. Da gibt es so viel Alkohol, der getrunken werden muss! Zumal sie ein Talent dafür hat, bei ihrem nächtlichen Trip den ungewöhnlichsten Leuten zu begegnen.

2018 war ein gutes Jahr für die hiesigen Liebhaber etwas anderer Anime. Und das hat einen Grund bzw. einen Namen: Masaaki Yuasa. Anfang des Jahres durften wir dank Netflix mit Devilman Crybaby die bizarre Neuinterpretation des Mangaklassikers von Go Nagai daheim genießen. Im Herbst standen dann die Kinostarts der beiden lang erwarteten Langfilme Lu Over the Wall und Night Is Short, Walk On Girl an. Und wer die beiden vorherigen Werke kennt oder auch frühere Titel des japanischen Ausnahmeregisseurs, der wusste bereits, dass hier ein recht eigenes Fest zubereitet würde.

Ein lang erwartetes Wiedersehen
Fans dürften diesem hier vielleicht sogar am meisten entgegengefiebert haben. Der Grund: Yuasa adaptiert bei Night Is Short, Walk On Girl einen Roman von Tomihiko Morimi, so wie er es damals schon bei seiner Kultserie The Tatami Galaxy tat. Es gibt dann auch durchaus Gemeinsamkeiten. Da wäre zum einen das Universitätssetting, in dem beide spielen. Einige Figuren tauchen erneut auf. Und visuell ist das hier ohnehin unverkennbar auf den Kultregisseur zurückzuführen. Direkte Anschlüsse an die Serie gibt es hingegen nicht, die Geschichte ist völlig unabhängig von der Vorgängerin.

Wobei man sich auch darüber streiten könnte, ob Geschichte wirklich das richtige Wort ist für das, was sich hier so abspielt. Wirr geht es los, wenn ein namenloser Jüngling einer namenlosen Meistersäuferin nachläuft. Wirr geht es weiter. Wo andere Werke mit der Zeit vielleicht tiefere Einblicke geben würden in die Figuren und ihr Leben, da ist Night Is Short, Walk On Girl eine Ansammlung von Einzelszenen, die mal skurril, mal ausgesprochen surreal sind, ganz im Alltag verbunden und doch nicht von dieser Welt. Einer der Höhepunkte: die Begegnung mit einer etwas anderen Gottheit.

Die Komik des fehlenden Herzes
Einen tieferen Sinn sollte man darin besser nicht suchen, es sei denn, man hat ebenso viel intus wie die Protagonistin. Night Is Short, Walk On Girl ist ein abgefahrener Trip durch die Nacht, der gleichzeitig sehr viel zu bieten hat und dabei doch nicht greifbar wird. Ein Zauber, den man genießen, aber nicht festhalten sollte. Ein komischer Zauber überdies: Vieles hier ist so bewusst eigenartig und übertrieben, dass Lachen die beste Medizin gegen den Kater ist. Romantiker kommen hier, dem Thema zum Trotz, wenig zum Zug. Gerade weil die beiden Irrlichter sind, die sich durch die Nacht treiben lassen und sich dabei nur selten begegnen, entwickelt sich daraus kein kribbelndes Glück. Da ist wider Erwarten ausgerechnet die Liebeskomödie das am wenigsten bewegende Werk des diesjährigen Animetrios von Yuasa.

Wenn schon das Herz ein wenig Sendepause hat, die Augen bekommen dafür umso mehr zu tun. Night Is Short, Walk On Girl ist ein Sinnesrausch aus Farben und Nichtfarben, aus schrägen Perspektiven und Figurendesigns, die im einen Moment realistisch, im nächsten kuriose Karikaturen sind. Ein bunter Strauß aus Sonderbarkeiten, den man im Anschluss nicht wieder vergisst, selbst wenn man gar nicht so genau sagen kann, was da eigentlich im Einzelnen zu sehen war. Aber sollen sich andere doch mit Detailarbeit aufhalten. Der Rest darf mit Yuasa um die Häuser ziehen, sich selbst in Träumen verlieren und ein kreatives Feuerwerk genießen, wie es wohl kein anderer hinbekommen hätte.



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Mit „Night Is Short, Walk On Girl“ wird Masaaki Yuasa wieder seinem Ruf gerecht, einer der ungewöhnlichsten Animeregisseure unserer Zeit zu sein. Zu Herzen geht die Liebeskomödie um einen jungen Mann, der seiner großen Liebe folgt, eher nicht, dafür sind Figuren und Geschichte zu wenig fassbar. Dafür ist der Film ein kreatives Feuerwerk voll surrealer Komik, das man im Anschluss nicht wieder vergisst.
8
von 10