In der trostlosen Industriestadt Ordos in der Mongolei verbringt der rücksichts- und reuelose Patriarch Lao Yang (Tu Men) den Herbst seines Lebens damit, Geld, das er nicht hat, in Casinos zu verspielen, seine bettlägerige Ehefrau (Qiaoling Hao) zu vernachlässigen, um währenddessen einer jungen Liebhaberin (Zizi Wang) nachzusteigen, und seinen erwachsenen Kindern bei jeder Gelegenheit das Geld aus der Tasche zu ziehen. Als seine Frau eines Tages ins Krankenhaus eingeliefert wird und sich einer lebenswichtigen Operation unterziehen muss, legen die drei Kinder das Geld für die Krankenhauskosten zusammen. Lao Yang hingegen zeigt nicht nur geringstes Interesse am Leid seiner Gattin, sondern stiehlt zu allem Überfluss den Umschlag mit dem Geld. Als seine Nachkommen davon erfahren und versuchen, das Geld vom Vater zurückzubekommen, zwingt dieser seine Familie vor Gericht.
Eine Studie der Gesellschaft und der Selbstsucht
Drehbuchautor und Regisseur Ziyang Zhou setzt die Geschichte seines Erstlingswerks, das seither mit diversen, bedeutenden Preisen der asiatischen Filmindustrie ausgezeichnet wurde, um einen egozentrischen Vater, der in Silberrücken-Manier niemanden an der Unantastbarkeit seines Patriarchats zweifeln lässt, in seine eigene Heimatstadt. Die ehemals glorreiche Industriestadt Ordos in der Mongolei ist im Film wie in Realität inzwischen nur noch ein Schatten ihrer selbst. Leerstehende Apartmentblocks, nie fertiggestellte Hochhausgerippe, der Himmel so grau wie die zubetonierte Erde.
Der Film ist mehr als häusliches Melodrama. Er erfasst die bittere Realität des Zerfalls von Wirtschaft und Gesellschaft, wenn das Versprechen des Goldenen Zeitalters nicht in Erfüllung geht. Damit setzt Ziyang Zhou die Grundlage für das individuelle Schicksal einer Familie, die aufgrund der gegebenen Bedingungen unaufhaltsam von innen verfault. Gleichzeitig wirft der Film einen kritischen Blick auf die Beziehung zwischen der Eltern- und Kindergeneration und die Verlagerung der Verantwortung, die früher oder später gezwungenermaßen eintritt. Dabei wirft der Film ein paar prekäre Fragen im Bezug auf Respekt und Bringschuld auf.
Konsequenter Realismus
Der Traum ist geplatzt für den ergrauten Lao Yang. Einst lebte er als Restaurator und Investor in Hülle und Fülle, bis der Immobilienmarkt vollständig in sich zusammenbrach. Jetzt fährt er auf einem windigen Moped vom Mahjong-Casino zum Bordell, um geliehenes Geld zu verprassen. Seinen Stolz von damals hat er dabei nicht verloren und gibt sich trotz der trostlosen Umstände wie der große Zampano, der er einst war. Gespielt wird Lao Yang vom chinesischen Schauspielveteranen Tu Men, der vor allem für seine wiederholte Darstellung Dschingis Khans bekannt ist. Er fängt den gewissenlosen Egoismus der Hauptfigur mit grenzenloser Geschmeidigkeit ein.
Dank seines unverkennbaren Talents, aber auch eines ausgefeilten Drehbuchs und zielbewusster Regie wird der Figur in selten aufglimmenden Momenten der Verletzlichkeit eine menschliche Tiefe verliehen, die das Interesse des Zuschauers wach hält. Doch Lao Yang ist in seinen Strukturen und Verhaltensmustern zu eingerostet, um sich ändern zu können. Die Transformation bleibt aus. So wendet sich der Regisseur geschickt von einem konträr kitschigen Pfad ab und lässt dem brutalen Realismus freien Lauf. Auf diese Weise gelingt ein schlüssiger Ausgang, der genauso hart und ehrlich ist wie der Rest des Films.
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