15 Jahre sind bereits seit dem Ende des Dritten Reiches vergangen. Doch noch immer sind die Wunden tief, die der Holocaust hinterlassen hat – umso mehr, da die wichtigsten Drahtzieher nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden können. Da spüren Peter Malkin (Oscar Isaac) und eine Gruppe weiterer Mitglieder des israelischen Geheimdienstes den Nazi-Offizier Adolf Eichmann (Ben Kingsley) auf, der sich in Argentinien versteckt hält. Da eine Auslieferung unwahrscheinlich ist, nehmen sie die Sache selbst in die Hand und entführen den mutmaßlichen Verbrecher, um ihn selbst nach Israel zu bringen. Doch die Zeit drängt, früher oder später werden die lokalen Behörden das Versteck gefunden haben. Der Gefangene muss zum Sprechen gebracht werden. Nur wie?
Etwas mehr als ein Jahr ist es her, dass in Berlin auf spektakuläre Weise ein Geschäftsmann und Politiker durch den vietnamesischen Geheimdienst entführt wurde, um ihm in der Heimat den Prozess zu machen. Die Aufregung war verständlicherweise groß. Der eine oder andere wird dabei aber vielleicht an den Vorfall Eichmann gedacht haben, bei dem mehr als 50 Jahre zuvor der ehemalige Nazi-Verbrecher aus einem fremden Land gekidnappt wurde. Damals war es Argentinien, das überrumpelt und bloßgestellt wurde. Während jedoch Verantwortliche bei der letztjährigen Entführung verurteilt wurden, wurden in den 60ern die Agenten als Helden gefeiert.
Gerechtigkeit, Rache, Verantwortung
Rechtfertigt ein Verbrechen ein anderes? Das ist nur eine von vielen Fragen, die Operation Finale dem Publikum aufdrängen. Denn der Film ist nicht einfach nur die Geschichte einer historischen Entführung. Vielmehr konfrontiert er mit Überlegungen zu Gerechtigkeit und Sühne. Und natürlich zu Verantwortung: Inwieweit ist jemand für eine Tat verantwortlich, wenn er einen offiziellen Befehl ausgeführt hat? Ab wann hätte sich das moralische Gewissen zu Wort melden müssen? Das ist auch 70 Jahre nach den Massenverbrechen des Nationalsozialismus ein heikles Thema, war schon zu Eichmanns Verurteilung umstritten.
Operation Finale macht es sich hierbei relativ einfach, da diese Überlegungen zwar immer mitschwingen, letzten Endes aber gern wieder beiseitegeschoben werden. Gleiches gilt für das Thema Rache, die unstrittig in diesem Fall eine große Rolle spielte und mit Gerechtigkeit gleichgesetzt wurde. Aber was ist schon gerecht, wenn man an dem Mord von sechs Millionen Menschen mitgewirkt hat? Wichtiger ist es, die Auseinandersetzungen der beiden Hauptfiguren in Szene zu setzen. Auf der einen Seite der unscheinbare Soldat, der sich keiner Schuld bewusst ist. Auf der anderen Seite der Agent, dessen eigenes Leben mit dem Holocaust verstrickt ist, was seinem Auftrag eine persönliche Note gibt.
Duell auf kleinstem Raum
Diese Auseinandersetzung ist tatsächlich spannend, auch weil Ben Kingsley nach vielen mäßigen Rollen endlich mal wieder etwas zu tun bekommt. Er schafft schön die Balance aus verführerischem, bösem Mastermind und hilflosem Rädchen im Getriebe, lässt sein Gegenüber und das Publikum zweifeln, wer er denn nun eigentlich ist. Wenn er sich mit seinem Gegenüber Oscar Isaac (Ex Machina) in Gespräche verwickelt, dann wird daraus ein spannendes Kammerspiel, das ein wenig an Der Tod und das Mädchen erinnert – damals spielte Kingsley einen Arzt, der eine Frau gefoltert haben soll. Wird er gestehen? Wird die Situation eskalieren?
Nur ist Operation Finale, das außerhalb der USA über Netflix veröffentlicht wurde, an der Stelle dann doch nicht an zu viel Tiefgang interessiert. Die inhaltliche Spannung war den Machern wohl nicht ausreichend, weshalb das Ganze in eine Art Heist-Movie gepackt und drumherum kräftig zugespitzt wurde. Das Gespräch selbst wird immer wieder in den Hintergrund gerückt. Stattdessen soll das Publikum zittern, ob es die Helden rechtzeitig schaffen davonzukommen, bevor sie von den Behörden geschnappt werden. Das ist nicht nur überflüssig, sondern ähnlich zu Argo oder auch Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück auch zu übertrieben, als dass es wirklich funktionieren würde. Insgesamt kann man sich diese Geschichtsstunde gut anschauen. Aber es ist schade, wie wenig sich dann doch mit dem Konzept des Bösen auseinandergesetzt wurde und man stattdessen auf typische Blockbuster-Konventionen setzte.
(Anzeige)