Seit vielen Jahren schon sind Richard (Paul Giamatti) und Rachel (Kathryn Hahn) verheiratet, sind eigentlich auch sehr glücklich miteinander. Eigentlich. Wäre da nur nicht der Kinderwunsch, der mit Rachels immer lauter tickenden biologischen Uhr ihr Leben bestimmt. Nicht, dass sie es nicht versucht hätten mit dem Nachwuchs. Doch egal ob sie eine Adoption in Angriff nehmen oder Richard für teures Geld Eingriffe vornehmen lässt, am Ende stehen die beiden immer mit leeren Händen da. Da bietet sich ihnen eine unvorhergesehene Möglichkeit dank ihrer Nichte Sadie (Kayli Carter), was innerhalb der Familie aber nur für wenig Begeisterung sorgt.
Böse Zungen behaupten ja, dass Netflix-Filme nur dann gut sind, wenn sie entweder aus dem Kino geklaut (Auslöschung) oder bei Filmfesten eingekauft wurden. Vor allem beim Indie-Urgestein Sundance deckte sich der Streaminggigant bislang ganz gerne ein – darunter die Oscar-Titel Mudbound und Ikarus. Ein wenig verwundert waren deshalb auch Branchenbeobachter, als sowohl Netflix wie auch Amazon Anfang 2018 nichts in den eigenen Warenkorb legten. Immerhin, mit Private Life kam nun doch ein Film nach, der dieses Jahr auf dem Traditionsfestival seine Premiere feiert. Zum Glück!
Ist das alles?
Ein bisschen aus der Zeit gefallen ist Private Life ja, sogar altmodisch wurde der Film genannt. Da ist schon etwas dran: Ein weißes Paar mittleren Alters aus einem intellektuellen Hintergrund, das sich mit Luxusproblem herumplagt, das sieht man nicht mehr so oft. Wo andere um ihre Existenz kämpfen oder Zielscheibe von Unterdrückung sind, da erzählt die Tragikomödie die Geschichte eines Ehepaares, das „nur“ kinderlos ist. Reicht so etwas als Thema heute noch aus? Ist das relevant genug?
Am ehesten werden diese Fragen noch Paare bejahen, die selbst mit unerfülltem Kinderwunsch hadern. Was offensichtlich einige sind. Die deutschen Beiträge Dinky Sinky und Maybe, Baby! haben sich kürzlich ebenfalls damit auseinandergesetzt und dafür die beliebte Kombination aus Tragik und Komik gewählt. Tragik deshalb, weil sich Leute mit etwas herumquälen, alles tun und versuchen, um ihren Wunsch zu erfüllen und dabei doch ständig scheitern. Die Komik wiederum liegt in den zuweilen grotesken Versuchen, den Traum vom Kind doch noch wahr zu machen. Was in der Theorie ganz einfach klingt und in der Natur meistens auch so funktioniert, wird hier zu einem oft entwürdigenden Zirkus.
Was macht man nicht alles für seinen Wunsch …
Mit solchen Szenen beginnt Private Life auch, wenn wir etwa Richard und Rachel beim Verabreichen von Hormonspritzen sehen. Und auch sonst baut Regisseurin und Drehbuchautorin Tamara Jenkins gerne immer mal wieder Momente ein, die eher in einer Sitcom zu Hause wären. Richtig witzig sind diese Stellen nicht, erwecken höchstens Mitleid für ein Paar, das sich selbst immer mehr zumutet, sich immer weiter verrennt, auch verschuldet, um seinen Willen zu bekommen. Warum das Thema so wichtig ist, das verrät der Film jedoch nicht. Es ist nicht einmal sicher, ob die beiden das selbst wissen. Der Film erzählt die Geschichte zweier Menschen, die mit Scheuklappen durchs Leben stolpern, dabei alles und jeden aus den Augen verlieren – einschließlich sich selbst.
Das hat viele kleine schöne Szenen zu bieten, in denen Hahn und Giamatti glänzen dürfen. Momente der Hoffnung, wenn sich ein neuer Weg öffnet. Momente der Enttäuschung und der Wut, wenn der Weg wieder nirgendwohin führt. An diesen Stellen darf man auch als unbeteiligter Zuschauer gern dabei sein, ohne emotionale Bindung an das Kinderkriegen oder eigenen Erfahrungen mit dieser kuriosen Industrie, die mit dem Wünschen von Paaren jede Menge Geld macht. Man wird dadurch nicht schlauer, hat nichts über die Welt und die heutige Zeit gelernt – Jenkins gibt Anflüge, das Thema zu erweitern, schnell wieder auf. Aber manchmal braucht es das auch nicht. Ohne Kitsch, ohne idealisierte Vorzeigehelden ist Private Life ein leiser Film über die Suche nach dem Glück.
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