See You Up There Au revoir la haut

See You Up There

See You Up There Au revoir la haut
„See You Up There“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Im November 1918 ist der Erste Weltkrieg fast schon vorbei. Doch noch immer werden überall heftige Kämpfe aufgetragen. Einer davon kostet den jungen Édouard Péricourt (Nahuel Pérez Biscayart) fast sein Leben. Zwar kommt er gerade noch einmal davon, muss in Zukunft aber ohne seinen Unterkiefer leben. Der Schwerverletzte soll anschließend zu seiner Familie zurückgebracht werden. Um das zu verhindern, vertauscht sein Kamerad Albert Maillard (Albert Dupontel) auf Bitten von Édouard jedoch seine Namensplakette mit der eines Verstorbenen. Auch nach dem Ende des Krieges bleiben die beiden in einem regen Austausch und kommen eines Tages auf die Idee, sich mithilfe von Édouards Zeichentalent eine Menge Geld zu ergaunern.

Während der Zweite Weltkrieg gefühlt alle paar Wochen irgendwo filmisch aufgegriffen wird, fühlen sich Filmemacher vom Ersten nur recht selten inspiriert. Doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb See You Up There so sehr aus der Masse an Kriegsfilmen heraussticht. Er befasst sich auch gar nicht so sehr mit dem Krieg an sich. Der ist letztendlich nur der Startschuss, die Folgen sind es, die hier im Mittelpunkt stehen. Es sind diese Folgen, die – zusammen mit einer eigenwilligen Inszenierung –, welche die französische Produktion so ungewöhnlich machen.

Die Komik der Kriegstragik
Natürlich ist die Geschichte traurig, die Pierre Lemaitre da geschrieben hat – sowohl in dem zugrundeliegenden, mit dem prix Goncourt ausgezeichnet Roman Au revoir là-haut wie auch in der Drehbuchfassung, an der er mitarbeitete. Ein junger Mann, dem die untere Hälfte seines Gesichts fehlt und der mit seinem Vater so über Kreuz liegt, dass er lieber für tot erklärt werden will, als ihn wiederzusehen, das ist schon ganz harter Stoff. Das mit zahlreichen Césars beehrte See You Up There macht auch keinen Hehl daraus, zeigt die Bitterkeit und die Schmerzen, zeigt Édouards steigende Morphium-Abhängigkeit als unvermeidliche Folge, von einem Tag zum nächsten zu kommen.

Und doch hat See You Up There etwas sehr Verspieltes an sich, oft auch Komisches. In seiner versponnenen Art ähnelt der Film eher den detailverliebten Sonderbarkeiten eines Jean-Pierre Jeunet (Die fabelhafte Welt der Amélie) als einem herkömmlichen Kriegsdrama. Vor allem die Figur des Édouard vereint die beiden Komponenten, das Tragische und das Komische, wenn er seine inneren Dämonen hinter Masken zu verstecken versucht. Das erinnert manchmal an Das Phantom der Oper. Anstatt sein Inneres jedoch komplett zu begraben, wechselt Édouard seine Masken je nach Stimmung, so wie andere ihre Kleidung an die Situation anpassen.

Der Abgrund hinter der Maske
Der Film konzentriert sich bei seiner Geschichte in erster Linie auf seine beiden männlichen Hauptfiguren, ein bisschen was darf auch die junge Louise (Heloïse Balster) beitragen, ein Mädchen, mit dem sich Édouard anfreunden wird. Die restlichen Figuren sind hingegen reines Dekor, wenn auch sehenswertes: Vor allem Laurent Lafitte (Mama gegen Papa) macht jede Menge Spaß in seiner undifferenzierten Rolle als selbstsüchtiger, eiskalter Lieutenant, der Menschen in den sicheren Tod schickt, um dafür Orden und Ruhm abzustauben.

Das ist dann auch eines der wiederkehrenden Themen des französischen Blockbusters: Das Spiel mit einer äußeren Fassade und inneren Abgründen. Dabei verfolgt See You Up There erneut die ganze Bandbreite, von den schelmischen Trickbetrügereien, die mit Trauer Kasse machen, bis zu den tiefsitzenden Wunden, die den Film selbst in den grotesken Momenten emotionale Tiefe verleiten. So ganz weiß man hier zwar nicht, wovon das alles eigentlich handeln soll, die Tragikomödie schlingert sich seinem späten Ende entgegen. Dabei gibt es aber so viel zu sehen, so viel zu lachen und zu beweinen, dass der prachtvoll ausgestatteten Geschichtsstunde ein regulärer deutscher Kinostart zu wünschen wäre. Bislang hat sich aber leider kein hiesiger Verleih dafür gefunden, lediglich auf Filmfesten taucht sie hin und wieder auf.



(Anzeige)

„See You Up There“ erzählt die an und für sich tragische Geschichte eines jungen Mannes, der im Krieg verunstaltet wird und sich für tot erklären lässt, um seine Familie nicht wiedersehen zu müssen. Das Drama wird jedoch durch viele verspielt-komische Momente aufgelockert, setzt den Wunden und Abgründen groteske Masken entgegen sowie eine detailverliebte Märchenausstattung.
8
von 10