Für Migo gibt es nur einen Traum im Leben: Er möchte später einmal der Gongmeister sein und alle anderen Yetis morgens aufwecken, so wie sein Vater es sein ganzes Leben getan hat. Bei einer Generalprobe geht jedoch irgendwie alles schief. Nicht nur, dass er mehrere Anläufe braucht, er fliegt auch noch meilenweit am Ziel vorbei. Dabei macht er die unglaubliche Begegnung mit einem sogenannten Smallfoot, einem Wesen mit ganz kleinen Füßen. Im Dorf möchte ihm jedoch niemand glauben, dass er tatsächlich einen Menschen gesehen hat, widerspricht der Fund doch den überlieferten Schriften. Und auf eine solche Blasphemie steht Verbannung! Also bleibt Migo nichts anderes übrig als loszuziehen und die Existenz des Smallfoots zu beweisen – und kommt dabei einem großen Geheimnis auf die Spur.
Das sei doch wieder so etwas wie Ice Age, konnte man es murmeln hören, als sich Smallfoot anschickte, das hiesige Publikum für sich einzunehmen. Und zumindest anfangs ließ sich dieser Verdacht schnell bestätigen: Zwar spielt der Film in der Neuzeit. Doch aufgrund der hermetisch von der Außenwelt abgeschlossenen Gemeinschaft ist davon kaum etwas zu spüren. Die Technik der Yetis ist primitiv, die Überzeugungen sind es auch: Mit Aberglauben und simplen Ritualen versuchen sie, Erscheinungen wie die Sonne zu deuten und zu beeinflussen.
Und schon wieder ein Unfall …
Aber auch der Humor ist in Smallfoot nicht wirklich modern. Man darf es auch klassisch nennen, wie der Film hier auf die üblichen Slapstickgags setzt. Das bedeutet, dass immer jemand durch die Luft fliegt, irgendwo dagegenrennt oder irgendein Missgeschick geschieht. Das kennt man aus den alten Looney-Toons-Filmen, eben aus Ice Age oder zahlreichen anderen Animationswerken, die heute in die Kinos kommen und Spaß in erster Linie mit hohem Tempo und – natürlich unblutigen – Unfällen gleichsetzen. Hauptsache es kracht irgendwo, möglichst ohne lange Pausen.
Und doch hat Smallfoot ein bisschen mehr zu bieten als das, auch wenn der Film immer wieder zu diesem Humor zurückkehrt. Spannender ist, was Sergio Pablos, auf dessen Vorlage der Film zurückgeht, über die Gesellschaft der Yetis zu sagen hat. Der Spanier, der als Schöpfer von Ich – Einfach unverbesserlich die Animationsszene maßgeblich beeinflusst hat, entwirft hier eine Welt, die sich sehr in der Vergangenheit einigelt, die stolz darauf ist, kritische Fragen einfach ins Leere laufen zu lassen. Wann auch immer ein Problem auftaucht, ein Widerspruch zu den alten Schriften, wird das einfach ignoriert. Wird schon von alleine verschwinden, so das Credo.
Glaub nicht alles, was andere dir sagen
Das ist gerade bei einem US-amerikanischen Animationsfilm mutiger, als einem hierzulande bewusst ist. In kaum einem Land des Westens stehen sich mittlerweile Traditionalisten und Modernisierer derart offen feindselig gegenüber – siehe der aktuelle Politzirkus. Wenn Migo auszieht, um die Existenz der Smallfoots zu beweisen, dann ist das eben mehr als nur das übliche Abenteuer. Es bedeutet Kritik an der mangelnden Hinterfragung alter Überzeugungen, gerade auch religiöser Natur. Eine Aufforderung, die Welt nicht nur zu erleben und sich ihr zu stellen, offen zu sein für Neues, sondern auch offen zu sein im Umgang damit. Eben nicht die Deutung der Welt einigen wenigen zu überlassen, die für alle anderen bestimmen, wie sie ihr Leben zu führen haben.
Ganz bis zum Ende geht Kirkpatrick dabei nicht, Smallfoot soll schließlich keine Satire sein, sondern harmloses Abenteuer für ein jüngeres Publikum. Das bedeutet, dass trotz der diversen Spitzen – auch Fake News wird hier am Rande aufgegriffen – alles nett und gut sein soll. Selbst die Bösen sind hier nicht wirklich böse, sondern verfolgen eigentlich hehre Ziele, wenngleich mit fragwürdigen Mitteln. Die ganz großen Überraschungen bleiben daher beim bloßen Ablauf aus, man weiß hier immer recht genau, was als nächstes passieren wird. Aber es ist sympathisch, wie der Film sich für ein friedliches Miteinander einsetzt. Zusammen mit dem originellen Szenario und der schönen Optik wird zwar kein wirklicher Toptitel darauf, aber doch durchaus etwas, das man sich mit dem Nachwuchs anschauen kann. Und sei es nur, um früh genug für Toleranz wie auch kritisches Denken zu werben – zwei Tugenden, die heute gar nicht genug gefördert werden können.
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