The Boat

The Boat (O Barco)

„The Boat“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Ein weiter Strand, das unendliche Meer, ein kümmerliches Fischerdorf. Ein stummer Fischer (Nanego Ligra) und seine Frau Esmerina (Veronica Cavalcanti) haben 26 Kinder, jedes nach einem Buchstaben im Alphabet benannt. Der älteste Sohn A (Romulo Braga) sehnt sich heimlich danach, über das Meer in eine unbekannte Welt zu fliehen. Eines Tages steigt Ana, die einzige Überlebende eines gestrandeten Schiffes, aus der Gischt empor. Die schöne Fremde (Samya de Lavor) verzaubert die Dorfbewohner mit elysischen Geschichten und betörenden Gesängen, wodurch die routinierte Ordnung der Familie und des Dorfes zu zerfallen droht.

Traumbilder
Die Filme des brasilianischen Regisseurs Petrus Cariry sind bekannt für eine erfinderische Anschauungsweise, einen märchenhaften Charakter, starke Symbolik und eine ergreifende Schwere. Als Eröffnungsfilm des 28° Cine Ceará in Brasilien wurde The Boat mit vier bedeutenden Auszeichnungen gekürt. Auch auf dem Filmfest Oldenburg 2018 war der Film in der Kategorie “Bester Film” nominiert.
Von Beginn an packt The Boat vor allem durch ästhetische Naturaufnahmen: das wilde und unbezwingbare Meer, das einerseits der Garant für Nahrung und Leben ist, andererseits Gefahr bedeutet und die Existenz der Dorfbewohner nicht nur einschränkt, sondern bestimmt; der unendliche, unbewachsene Sandstrand; der andauernde Wind, der das Salzwasser auf der Haut der Männer und Frauen trocknen lässt. Sobald sich die Kamera innerhalb der vier Wände einer der unzähligen Lehmhütten befindet, wird durch warme Farben und geschickte Belichtung eine mysteriöse Atmosphäre kreiert.

Das Sound Design verpasst der bedrückenden Stimmung des Films mit Aufnahmen des mal wilden, mal sanften Meeresrauschens, des knisternden Lagerfeuers, der sirenenartigen Gesänge der bezaubernden Ana den letzten Schliff. Der harte Realismus der Natur wird den obskuren Zeremonien in Anas Hütte gegenübergestellt. So wird eine ergiebige Basis für die Entwicklung des Plots gesetzt, der sich von Anfang bis Ende einer starken Symbolik bedient. Die Elemente der Natur, die Beziehung zwischen Mann und Frau, die Bedeutung von Familie, die unersättliche Sehnsucht, das Unbekannte zu entdecken sind nur ein paar der zahlreichen Sinnbilder, die in The Boat aufgegriffen werden.

Zu viele lose Fäden
In dieser Hinsicht nimmt sich der Film allerdings eindeutig zu viel vor. Was mitreißend anfängt und durchaus das Interesse des unkonventionellen Zuschauers weckt, verliert sich schnell in einer scheinbar planlosen Anhäufung unübersetzbarer Chiffren. Der Ideenreichtum, der zweifelsohne existiert, wird insofern verschwendet, als dass die geheimnisvollen Erzählstränge begonnen, aber so gut wie nie abgeschlossen werden. Zudem scheinen sie meist nebeneinander her zu laufen, ohne sich jemals zu treffen. Nach unzähligen, neu begonnenen Mysterien ist der Wunsch des Zuschauers nach einer ultimativen Auflösung mindestens genau so groß wie As innerer Drang, das Meer endlich zu bezwingen. Im Laufe des Films stellt sich im Gewusel der Andeutungen die Suche nach dem roten Faden als Unmöglichkeit heraus und die Hoffnung auf ein überzeugendes Finale sinkt – genauso wie das Boot in den kompromisslosen Wellen des Meeres.



(Anzeige)

"The Boat" ist ein ästhetisch anziehender, wie hochgradig poetischer Beitrag aus Brasilien. Die beeindruckenden Bilder werden mit einer entsprechenden Geräuschkulisse untermalt. Leider kann die starke und bezaubernde Atmosphäre das Chaos im Script nicht wettmachen. Durch zu viele Symbole und zu wenig Interpretationshilfen verliert der Film die Richtung.
6
von 10