Die einen verstehen sich besser mit den eigenen Eltern, die anderen weniger. Manche können gar nicht ohne den Beistand der zwei, andere sind froh, wenn die Begegnungen auf ein Minimum reduziert werden. Wichtig bleiben sie so oder so, ob man das nun will oder nicht. Was aber, wenn man seine Eltern gar nicht kennt? Wenn man als Adoptivkind aufgewachsen ist? Das kommt natürlich überall vor, besonders aber in Korea waren viele betroffen. Beginnend mit dem Koreakrieg und den vielen Kriegswaisen wurde das südostasiatische Land zum Ausgangspunkt eines wahren Massenphänomens: Mehr als 200.000 südkoreanische Kinder sollen im Ausland seither adoptiert worden sein.
Eines davon: Malene Choi. Basierend auf eigenen Versuchen der dänischen Regisseurin, ihre koreanischen Wurzeln zu erkunden, erzählt The Return von Karoline (Karoline Sofie Lee) und Thomas (Thomas Hwan), die sich in einem Hostel kennen, das ausschließlich südkoreanischen Adoptivkindern offensteht. Was sich erst einmal sehr absurd anhört, ist Ausdruck einer größeren Bewegung, ist natürlich Ausdruck eines großen Bedürfnisses. Denn die vielen Menschen, die hierherkommen, tun das in der Hoffnung, ihre Eltern wiederzufinden und dabei mehr über sich selbst zu lernen.
Ist das jetzt echt?
Welche Stellen von The Return erfunden, welche real sind, das lässt Choi offen. Die Filmemacherin wandelt an der Grenze zwischen Fakt und Fiktion. Wenn beispielsweise der dänische Schauspieler Thomas Hwan (Follow the Money), der seinerzeit aus Südkorea adoptiert wurde, den Dänen Thomas spielt, der seine Eltern in Südkorea sucht, dann stellt man sich unweigerlich die Frage, ob er aus seinem Leben oder einem erfundenen erzählt. Hinzu kommt, dass der Film auch mit realen Adoptivkindern arbeitet, deren Erfahrungen ebenfalls miteinfließen durften. Ein Drehbuch gab es zwar. Das war aber mehr eine grobe Vorlage, mit deren Hilfe kräftig improvisiert werden durfte.
Hin und wieder ist dieser offensichtliche Hybrid etwas irritierend und kann dazu führen, dass man sich stärker mit der Meta-Ebene befasst – ist das jetzt gerade wahr oder nicht? Davon sollte man sich lösen können, auch von der ungewohnt herumblubbernden Musik, die sich nach Videoinstallation anhört, weniger nach einem Film. Und es lohnt sich, das Drumherum etwas zu ignorieren, denn zu erzählen hat The Return eine ganze Menge, auch denjenigen, die weder mit Korea noch dem Thema Adoption Berührungspunkte haben.
Die Identität als individuelles Gut und universelle Frage
Wer bin ich? Was macht mich aus? Wie sehr bin ich von einer Kultur geprägt, die ich selbst nie kennengelernt habe? Wenn sich Karoline und Thomas stellvertretend für Tausende anderer Adoptivkinder auf Spurensuche gehen, dann stehen Fragen zur Identität und des Selbstverständnisses im Mittelpunkt. Der Weg zu diesen Antworten kann schwierig sein, teilweise auch irgendwie komisch, wenn sich die beiden in bürokratischen Labyrinthen verlaufen. Oder eben auch bewegend, wenn am Ende der Suche tatsächlich ein Mensch vor ihnen steht, mit einer eigenen Geschichte. Da spielt es dann schon – fast – keine Rolle mehr, ob dieser real ist.
Der Beitrag vom Filmfest Hamburg 2018 mag sich hier und da ein wenig verzetteln bei seinen Grenzwanderungen, der Wechsel von Interviewszenen und gestellten Szenen dazu führen, dass man etwas zu oft aus dem Geschehen gerissen wird und dadurch den Zugang schwerer findet. Interessant ist The Return aber zweifelsfrei, erzählt eine Geschichte, die einerseits sehr besonders ist – die wenigsten von uns dürften in einem fremden Land als Adoptivkinder aufwachsen –, das aber doch spannende, sehr universelle Überlegungen und emotionale, persönliche Momente mitbringt, die es wert sind, geteilt zu werden.
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