Nach dem Tod ihres Vaters kehr Ronit (Rachel Weisz) nach vielen Jahren zurück nach London in die Gemeinde orthodoxer Juden, in welcher sie geboren und aufgewachsen ist. Der Grund für ihr plötzliches Verschwinden war eine jugendliche Liebesgeschichte zwischen ihr und einem anderen Mädchen in der Gemeinde. Kurz nach ihrer Rückkehr begegnet Ronit ihrer Jugendliebe Esti (Rachel McAdams), die inzwischen verheiratet ist und als Lehrerin an einer jüdischen Mädchenschule arbeitet. Doch bald merken die beiden Frauen, dass die tiefe Leidenschaft füreinander nach wie vor besteht. Die Liebe wird neu entfacht und stößt an die Grenzen von Sexualität und Glauben.
Verbotene Liebe
Nach seinem großen Erfolg mit Eine fantastische Frau, der letztes Jahr mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet wurde, präsentiert der chilenische Regisseur Sebastián Lelio mit Ungehorsam seinen ersten englischsprachigen Film. Die Geschichte basiert auf dem gleichnamigen Roman von Naomi Alderman aus dem Jahr 2006.
Mit Unterstützung eines erstklassigen Casts tastet sich Lelio langsam und mit einem ausgeprägten Gefühl für suggestive Details an die vermeintlich sündige Liebe zwischen zwei Frauen in einer Gemeinde heran, in der sich unverheiratete Männer und Frauen nicht einmal berühren dürfen. Die beiden Hauptdarstellerinnen verleihen ihren Figuren eine nuancierte Tiefe, indem sie den Konflikt zwischen ihrer wahren Persönlichkeit und den Erwartungen ihres Umfelds akkurat einfangen. In vorsichtigen Schritten und ohne Worte wird dem Zuschauer Ronits und Estis Geschichte offenbart, die viel weiter zurückreicht, als zunächst angenommen. Wissende Blicke, unbemerkte Berührungen, heimlicher Austausch erzählen von ihrer Vergangenheit, in der sie Leidenschaft und bittere Konsequenzen erfuhren, und steuern zugleich auf eine unverhoffte, wie lang ersehnte Wiederbegegnung zu.
Wie in vorherigen Filmen wagt sich Lelio an ein hochsensibles Thema, das sich mit komplexer Fragestellung und moralischem Dilemma beschäftigt. Eine lesbische Liebesgeschichte wird in den Rahmen einer strikt religiösen Gemeinde gesetzt und provoziert so einen kritischen Blick auf die im Namen des Glaubens auferlegten Einschränkungen, besonders wenn es um Identität und freien Willen geht. Deshalb kann die Quintessenz des Films als Zwiespalt zwischen dem Leben, in das wir geboren wurden und dem, das wir gerne leben möchten, verstanden werden. Damit ist die Thematik nicht unbedingt nur für die LGBTQ-Community interessant.
(Zu) sanftes Köcheln
Trotz der guten Voraussetzungen in der Besetzung, der Thematik und der erfolgreichen Vorgeschichte des Regisseurs, scheint dem Film etwas zu fehlen. Zum Teil mag es an der trostlosen, grau-braunen Kolorierung liegen, die in keinem Moment ein farbenfrohes Aufleben zulässt; selbst dann nicht, wenn das gegenseitige Verlangen zwischen Ronit und Esti zu explodieren droht. Besonders schade allerdings ist das schleichende Tempo, in dem der Plot voranschreitet. Trotz der erwähnten lobenswerten Subtilität sehnt man sich nach Spannungs- oder emotionsgeladenen Spitzen, die in dem leisen Drama eine Seltenheit sind. Streckenweise wirkt der Film dadurch zu gedämpft, manchmal geradezu bieder, obwohl das der Absicht der Geschichte vollkommen widerspricht.
Zusätzlich versagt das Ende des Films auf ganzer Linie. Die finale Konfrontation zwischen Esti, ihrem Ehemann Dovid und Ronit wirkt so überzeichnet, dass man dem Script beinahe einen Hang zum Kitsch vorwerfen könnte. Doch das Ende ist noch nicht in Sicht. Die letzten Szenen wirken nicht nur lustlos, sondern sind für den Ausgang der bis dahin verzwickten und gut durchdachten Geschichte unnötig und aufgrund einer Vielzahl offener Fragen zutiefst frustrierend.
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