Diversität ist gut! Was nicht nur für Menschen gilt, ängstlich-wütenden Ereiferern zum Trotz, das gilt ebenso für unsere Nahrung. Das weiß prinzipiell fast jedes Kind, dass wir uns abwechslungsreich und ausgewogen ernähren sollen, wird uns schließlich oft genug eingetrichtert. Doch das ist leichter gesagt als getan, selbst wer regelmäßig zu Obst und Gemüse greift, hat gar nicht die Vielfalt, die begrüßenswert wäre. Die früher auch einmal Alltag war. Wie viel größer, das fasst Unser Saatgut – Wir ernten, was wir säen zusammen: Egal ob nun Kohlrabi oder auch Paprika, mehr als 90 Prozent der früher einmal verbreiteten Sorten sind inzwischen verloren. Und das gilt für alles Saatgut.
Die Zahlen sind erschreckend, für die meisten dürften sie auch überraschend sein: Anders als bei Tieren, um deren Erhalt lautstark, wenn auch mit gemischtem Erfolg gekämpft wird, hält sich das Interesse an Pflanzen in Grenzen. Sind ja keine Lebewesen, nicht so richtig zumindest. Dabei ist die Frage, ob wir die Vielfalt der Pflanzen bewahren sollten, nicht allein eine moralische. Es spielen auch sehr pragmatische Gründe mit hinein. Je geringer die Zahl der Saatsorten ist, umso abhängiger sind wir von ihnen, umso anfälliger sind wir auch.
Vielfalt an Meinungen unerwünscht
Die Idee hinter der Reduktion war dabei einleuchtend: Warum Sorten verwenden, die weniger ertragreich sind? Warum nicht versuchen, die Effizienz des Saatgutes zu erhöhen, damit auf diese Weise mehr Menschen für weniger Geld satt werden? Unser Saatgut lässt sich auf diese Diskussion jedoch nicht wirklich ein. Anstatt neutral an das Thema heranzugehen und das für und wieder abzuwägen, werden die Befürworter des selektiven Anbaus von Anfang an als die Bösen definiert.
Auch das ist verständlich, gerade im Mittelteil, wenn die Doku über die großen Konzerne spricht, die mit mindestens fragwürdigen Mitteln ihr Saatgut durchgesetzt haben, die auch auf dubiose Weise mit Giften hantieren und sich vehement dagegen wehren, dass ihnen jemand in die Bücher schaut. Wenn ein kurioser Vergleich herangezogen wird, um die erzwungene Kreuzung von Sorten zu vergleichen – ein Schwein und eine Tomate würden sich auch nicht kreuzen, nur weil sie im selben Raum sind –, dann ist auch das einleuchtend. Trotzdem wäre es schön gewesen, wenn die Regisseure Taggart Siegel und Jon Betz sich nicht ganz so sehr von vornherein festgelegt hätten, einen echten Diskurs zugelassen hätten. Unser Saatgut wird auf diese Weise zu einem zwar überzeugenden, aber eben doch einseitigen Plädoyer, auf die Natur zu vertrauen.
Wege aus der Monokultur
Spannend sind dafür die verschiedenen Projekte, welche die beiden gegen Ende vorstellen. Auf der ganzen Welt haben sie Leute gefunden, die nicht einfach den Kopf in den Sand stecken, sondern sich auf ihre Weise für die Vielfalt einsetzen. Ob es um das Aufbau eines Archivs geht, die Suche nach neuen Sorten oder die Einrichtung spezieller Schulen, um Menschen über die Unterschiede innerhalb des Saatgutes aufzuklären – es ist doch bewundernswert, wie sich die Interviewpartner engagieren. Wie unterschiedlich ihre Vorgehensweisen sind.
Als bloßer Konsument bringt einen das zwar nicht weiter, am Sortiment im Supermarkt ändert es schließlich wenig, was im fernen Mexiko oder Indien geschieht. Zumal auch das eine oder andere Fragezeichen bleibt, ob das Engagement überhaupt dauerhaft existiert. Zumindest aber dürfen Zuschauer und Zuschauerinnen hier über ein Thema nachdenken, das irgendwie jeden betrifft, aber nur von den wenigsten überhaupt als eines wahrgenommen wird. Und das ist ja auch schon mal was.
(Anzeige)