Der marktgerechte Patient
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Der marktgerechte Patient

Der marktgerechte Patient
„Der marktgerechte Patient“ // Deutschland-Start: 8. November 2018 (Kino)

Das Prinzip ist ja eigentlich ganz einfach. Wer krank ist und eine größere Behandlung braucht, der geht in ein Krankenhaus. Dort bekommen er oder sie einen Eingriff, Medikamente oder was auch immer die spezifische Krankheit so braucht, anschließend darf derjenige – im Idealfall wieder geheilt – nach Hause gehen. So weit die Theorie. Die Praxis sieht jedoch anders aus und interessiert sich wenig für Ideale. Orientierungspunkt Nummer eins sind nicht ethische Werte oder gesundheitliche Aspekte. Das Geld ist es, das entscheidet.

Dabei war die Idee hinter den Fallpauschalen eigentlich ganz plausibel. 2003 eingeführt, um einem drohenden Kollaps des deutschen Gesundheitssystems entgegenzuwirken, indem Krankenhäuser wirtschaftlich und effizient arbeiten sollen, wurde der Gedanke ad absurdum geführt. Wer an einer langwierigen Krankheit leidet, die kontinuierlich Geld kostet, der hat schlechte Karten. So jemand ist für Krankenhäuser uninteressant. Besser sind die Patienten, die man sehr schnell heilen kann, notfalls auch mit drastischen Mitteln: Operationen bis hin zu Amputationen.

Der Arzt als unsichtbares Wesen
Leslie Franke und Herdolor Lorenz finden eine ganze Reihe von Beispielen, wie das System eine unerwartete Richtung genommen hat. Eine sehr unerfreuliche, zumindest aus Patientensicht. Betroffene klagen in Der marktgerechte Patient darüber, wie wenig Beachtung sie in Krankenhäusern finden, dass Ärzte um sie einen großen Bogen machen. Individuen sind sie hier nicht mehr, eher ein Objekt, das in einer großen Fabrik bearbeitet wird. Wenn sie denn Glück haben, überhaupt noch unterzukommen. Denn wenig profitable Bereiche werden gern auch schon mal ganz aufgegeben. Warum Zeit an etwas verschwenden, das uns mehr kostet, als es bringt?

Ein Einzelfall ist das nicht, wie Der marktgerechte Patient demonstriert. Wann immer Krankenhäuser privatisiert werden, erfolgt zwangsweise eine Spezialisierung auf die gewinnbringenden Bereiche, einhergehend mit Kürzungen beim Personal. Je weniger dort arbeiten, umso geringer sind die Kosten. Umso geringer ist aber auch die Betreuung der Patienten. Im Krankenhaus behandelt werden, ohne je einen Arzt zu sehen? Doch das kommt vor. Wird wohl auch immer häufiger vorkommen. Denn wer sich nicht dem Sparzwang unterwirft und ein Krankenhaus für alle Kranken plant, der ist schnell in der Schuldenfalle gefangen.

Und was nun?
Sonderlich viel Mut macht das nicht, was die vielen Menschen hier zu erzählen haben, egal ob es sich nun um Betroffene handelt oder Leute aus dem Gesundheitswesen. Deprimierend ist es, erschreckend, teilweise vielleicht sogar skandalös. Und irgendwie alternativlos: Auch wenn Der marktgerechte Patient Gesprächspartner findet, die sich gegen diese Entwicklung stemmen – etwa den amtierenden Bürgermeister von München, der an einem städtischen Krankenhaus festhält –, die gesetzliche Lage lässt da nicht viel Spielraum zu. Der Film zeigt dabei nicht nur die unvorhergesehenen Auswüchse der Regelung, sondern stellt implizit auch immer die Frage: Wie viel sind unsere Gesundheit und unsere Mitmenschen uns wert? Wie viel sollten sie uns wert sein?



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Dich behandle ich nicht, du bringst mir kein Geld! „Der marktgerechte Patient“ zeigt, wie aufgrund gesetzlicher Bestimmungen die Krankenhäuser um Wirtschaftlichkeit kämpfen, mit kuriosen bis erschreckenden Folgen. Der Patient selbst ist nur noch so viel wert wie die Entlohnung der Behandlung, das Wohl der Kranken tritt hinter deren Profitabilität zurück.