Elizabeth (Abbey Lee) kann ihr Glück kaum fassen, als sie mit ihrem Ehemann Henry (Ciarán Hinds) das gemeinsame Haus erkundet. Der brillante Wissenschaftler mag deutlich älter sein als sie, ist dafür aber auch sehr vermögend. Und nun soll all das ihr gehören, der Luxus, der Schmuck, die teure Einrichtung, dazu die zwei Hausangestellten Claire (Carla Gugino) und Oliver (Matthew Beard), die ihr jeden Wunsch erfüllen müssen. Eine Bedingung jedoch hat Henry: Elizabeth darf unter keinen Umständen das Zimmer im Keller betreten. Die frisch gebackene Frau willigt ein, schließlich ist das ein geringer Preis für das, was sie dafür erhält. Doch bald schon wird die Neugierde stärker. Was mag sich nur hinter der Tür verbergen?
Man muss noch nicht einmal sonderlich feministisch gesinnt sein, um beim Einstieg von Elizabeth Harvest mit den Augen zu rollen. Eine hübsche junge Frau heiratet einen reichen alten Mann. Er sammelt Reichtümer, ist ein brillanter Mann. Sie ist eine geistig beschränkte, biologische Schaufensterpuppe, die sich einen Milchshake wünscht. Größer könnte der Kontrast nicht sein. Größer könnte auch das Klischee nicht sein – zumal auch das Anwesen und die drumherum liegende Natur wie aus einem schlechten Kitschfilm wirken. Eine Altherrenfantasie gekreuzt mit dem Kleinmädchentraum, einmal eine Prinzessin zu werden und schöne Kleider tragen zu dürfen.
Überraschung!
Glücklicherweise hat Regisseur und Drehbuchautor Sebastian Gutierrez aber etwas ganz anderes vor. Die mysteriöse Tür wird beispielsweise sehr viel früher geöffnet, als es die meisten im Publikum erwarten dürften. Und auch die direkte Folge ist ein wenig überraschend. An der Stelle ist jedoch noch lange nicht Schluss, Elizabeth Harvest wird später noch einige andere Wendungen einbauen und mithilfe von Flashbacks versuchen, die vermeintlich so geradlinige Geschichte ein wenig zu vertiefen und krümmen. Den Figuren auch noch ein wenig mehr Kontur zu verpassen, als es der erste Eindruck vermuten lässt.
Das gelingt dem Beitrag vom Fantasy Filmfest 2018 aber nur teilweise. Tatsächlich hält Gutierrez die mysteriöse Atmosphäre ziemlich lange aufrecht, lässt einen auch nach dem ersten Twist grübeln, was genau in diesem Haus da vor sich geht. Woran das Haus nicht unschuldig ist: eine Mischung aus brutalem Betonbunker, stylischem Luxuskitsch und sterilem Labor, das gleichzeitig großartig aussieht und mächtig verwirrt, nicht zuletzt aufgrund einer Zimmeranordnung, die sich nie so ganz erschließt.
Auf der Suche nach der verschwendeten Zeit
Aber man muss auch nicht alles bei Elizabeth Harvest unbedingt verstehen. Denn zwischenzeitlich wusste der venezolanische Filmemacher wohl selbst nicht so ganz, womit er sein Werk füllen konnte. Der Weg ist das Ziel, heißt es manchmal. Hier ist der Weg das Problem. Der Mystery-Thriller steht sich da ein bisschen selbst im Weg, verwechselt Umständlichkeit mit Komplexität. Das führt dazu, dass sich die Geschichte mitunter etwas zieht, das größte Geheimnis darin besteht, ob die Handlung denn irgendwann noch mal etwas Fahrt aufnimmt.
Dafür gibt es bei der Besetzung so gar nichts zu meckern. Abbey Lee (The Neon Demon), die anfangs noch wie ein ausgestopftes Modepüppchen in Übergröße wirkt, wird mit der Zeit markanter und bestimmender. Carla Gugino (Das Spiel) und Matthew Beard (Kiss Me First) geben wunderbar rätselhafte Hausangestellte, die sehr viel mehr gesehen haben, als man denken könnte. Und Ciarán Hinds (Die Frau, die vorausgeht) ist ohnehin großartig als teils schmieriger, teils furchteinflößender Hausherr, der die oben geschilderte Frauenfeindlichkeit zu einer brutalen Kunstform erhebt. Auch wenn der Film dazwischen mal schwächelt, insgesamt auch zu lang ist, da sind genügend beeindruckende Szenen drin, die man sich aus den verschiedensten Gründen im Kopf behält.
OT: „Elizabeth Harvest“
Land: USA
Jahr: 2018
Regie: Sebastian Gutierrez
Drehbuch: Sebastian Gutierrez
Musik: Rachel Zeffira
Kamera: Cale Finot
Besetzung: Abbey Lee, Ciarán Hinds, Carla Gugino, Matthew Beard
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