Der Journalismus hat in den letzten Jahren bekanntermaßen eine große Veränderung durchgemacht, nicht immer zu seinem Vorteil. Der Printjournalismus verliert immer weiter an Bedeutung und finanziellem Spielraum, muss sich zudem – auch durch politische Polterer – immer wieder als Lügenpresse beschimpfen lassen. Der Versuch, die alten Regeln auf das Internet zu übertragen, sind hingegen äußerst schwierig, in den meisten Fällen sogar regelrecht gescheitert. Da braucht es andere Ansätze, um in den heutigen Zeiten noch relevant zu sein und sich durchsetzen zu können.
Einen solchen zeigt das Newsportal BuzzFeed, welches früh die Grenzen zwischen Blogs und Journalismus aufhob, auch die zwischen unabhängigem Inhalt und bezahltem. Das Image des Online-Portals war entsprechend eher bescheiden, Zulauf hatten die zahllosen Listen und irgendwo im Internet zusammengeklaubten Clickbait-Nichtigkeiten dafür genug.
Wir können auch anders!
Inzwischen wird aber auch dort kräftig in investigativen Journalismus investiert, sogar eine Nominierung für einen Pulitzer Preis findet sich im Renommee. Gut möglich, dass Follow This als Teil einer Imagekampagne konzipiert wurde, um das Ansehen noch weiter zu steigern. Und so tat sich das Portal mit einem anderen Internetriesen der Neuzeit zusammen, dem allgegenwärtigen Streamingdienst Netflix, und produzierte mit diesem eine Doku-Serie, in der eine ganze Reihe von Themen aufgegriffen werden, welche die Menschen beschäftigen.
Das geht ein wenig befremdlich los: Menschen, die in die Kamera flüstern oder Videos mit anderen Geräuschen füllen, von leichtem Kratzen bis zu Papierrascheln? Wer sollte sich das anschauen bzw. anhören wollen? Autonomous Sensory Meridian Response, kurz ASMR, heißt das Phänomen eines wohligen Kribbelns, das durch akustische Reize ausgelöst werden soll. Das dürfte nicht nur den Zuschauern bislang eher unbekannt gewesen sein. Auch BuzzFeed-Reporterin Scaachi Koul macht unmissverständlich klar, dass sie das für eine ziemlich komische Angelegenheit hält.
Zwischen lustig und ernst
Auch später wird es in Follow This immer mal wieder Beispiele geben für Phänomene, die eindeutig ihres Kuriositätsfaktors wegen ausgewählt wurden. Die Serie hält mit ihrer Skepsis da auch nicht hinter dem Berg, vergleichbar zum Netflix-Kollegen Dark Tourist, wo es um etwas andere Urlaubsreisen geht. Im Verlauf der sieben Folgen der ersten Staffel werden die Themen aber auch ernster, relevanter. Themen, bei denen BuzzFeed eben doch mehr sein will als bloß seichtes Vergnügen. Das gelingt der Produktion aber nur in Ansätzen, bei einer Laufzeit von 15-20 Minuten pro Folge bleibt nicht viel Zeit für Vertiefung.
Als Denk- oder auch Diskussionsanstoß funktioniert Follow This hingegen ganz gut, da die Serie dazu einlädt, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die vorher nur wenige auf dem Schirm gehabt haben dürften. Von Orten, an denen Abhängige unter Aufsicht Drogen nehmen können, über Menschen zwischen zwei Geschlechtern bis zu den Arbeitsbedingungen von Prostituierten reicht das Themenfeld. Der Verzicht auf die sonst übliche Distanz in Dokumentationen, die man hier zuweilen ankreiden kann, kommt der Serie an anderen Stellen zugute, wenn nicht pure Information, sondern Empathie die Geschichte füllen – auch wenn das manchmal eher als Talkshow durchgehen würde.
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