La tribu Netflix
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La tribu – Rhythmus liegt in der Familie

La tribu Netflix
„La tribu – Rhythmus liegt in der Familie“ // Deutschland-Start: 21. November 2018 (Netflix)

Irgendwie hatte sich das Fidel (Paco León) alles ganz anders vorgestellt. Erst wird der Geschäftsmann zum Hassobjekt Nummer eins, als er 300 Mitarbeiter auf die Straße setzt. Und dann auch noch zur Lachnummer, als sein unglücklicher Sexzwischenfall am Arbeitsplatz im Internet die Runde macht. Ein Jahr später ist das zwar zum Großteil vergessen. Aber auch seine Karriere ist dahin, was schwer an ihm nagt. Den Versuch, nach 35 Jahren seine leibliche Mutter Virginia (Carmen Machi) kennenzulernen, bricht er sofort wieder ab, läuft stattdessen vor einen heranfahrenden Bus. Die Sache geht jedoch glimpflich aus, mit einer Ausnahme: Er hat sein Gedächtnis verloren und muss nun noch einmal völlig von vorne anfangen.

Wenn in Filmen jemand sein Gedächtnis verliert, dann meistens aus einem von zwei Gründen. Der erste ist, dass die Vergangenheit mit irgendeinem düsteren Geheimnis verbunden ist, dessen Aufdeckung im Mittelpunkt der Geschichte steht – gerade Mystery-Thriller greifen darauf gerne zurück. Manchmal wird das völlige Auslöschen der eigenen Erinnerungen aber auch zu komischen Zwecken verwendet. In Overboard beispielsweise wird ein Ekel auf diese Weise dazu verdonnert, noch einmal komplett von vorne anzufangen und sein Leben neu zu überdenken. Schließlich sollen Protagonisten am Ende im Idealfall bessere Menschen geworden sein.

Humor unterhalb der Gürtellinie
La tribu – Rhythmus liegt in der Familie geht da in eine ganz ähnliche Richtung. Dieses Mal handelt es sich zwar nicht um ein verwöhntes Millionärssöhnchen, sondern um einen Mann, der sich elternlos nach oben gekämpft hat. Sehr viel sympathischer macht ihn das aber nicht, der Film etabliert ihn schon beim Einstieg als den Bösen, den es zu bekehren gilt. Und noch etwas anderes wird hier gleich zu Beginn festgelegt: Der Humor ist nicht übermäßig feinsinnig. Beim Sex in der Partnerin steckenzubleiben und nur mittels eines Notarztes wieder aus der misslichen Lage zu kommen, das ist schon unteres Witzniveau.

Dort wird der Netflix-Film auch bleiben. Immer wieder baut Regisseur und Co-Autor Fernando Colomo solche peinlichen Situationen ein, wenn Fidel mit Erektionen oder anderen ungewünschten Körperfunktionen zu kämpfen hat. Spritzig ist dieser Schenkelklopferhumor nicht gerade. Eigentlich ist La tribu sogar relativ langweilig, wann immer der Film versucht komisch zu sein. Die beiden Brüder, die Colomo einbaut, sorgen ebenso wenig für Abwechslung oder Esprit. Sie haben ja nicht einmal eine wirkliche Persönlichkeit, die Figurenzeichnung macht sie zu zwei nicht voneinander zu unterscheidenden Nerdklischees, die den ganzen Tag nur Videospiele spielen wollen und sich von Chicken Nuggets und Instant Nudeln ernähren.

Hab ich schon
Auch sonst zeigt sich La tribu nicht allzu ambitioniert, was den Inhalt angeht. Von der angesprochenen Läuterung des Egoisten über die Annäherung mit der Mutter bis zu der ebenso obligatorischen Liebesgeschichte, die spanische Komödie hakt pflichtbewusst alle Punkte ab, die einem bei solchen Filmen so einfallen können. Die Figuren sind nicht wirklich interessanter, auch wenn León Mut zur Hässlichkeit beweist und Carmen Machi (El Bar – Frühstück mit Leiche) als überforderte Mutter zumindest sympathisch ist. Schließlich lässt die sich von nichts unterkriegen, selbst wenn es das Leben nicht gerade gut mit ihr gemeint hat.

Was den Film vor den unteren Stufen der Komödienabgründe bewahrt, das sind die Tanzszenen. Ähnlich zu Tanz ins Leben erzählen die Spanier hier die Geschichte von Menschen im fortgeschrittenen Alter, die sich allen skeptischen Blicken zum Trotz auf die Bühne wagen und dort das Tanzbein schwingen. Das sieht besser aus als erwartet, auch León zeigt ein beachtliches Talent darin, sich in den unsinnigsten Situationen rhythmisch zu bewegen. Es ist sogar charmant, wenn hier wie in alten Musicals der Alltag zur Bühne wird, völlig losgelöst von Realität oder Wahrscheinlichkeit. Zum großen Glück fehlen dann zwar die passenden mitreißenden Musiknummern. Immerhin fürs nette Niemandsland hat es dann aber doch gereicht.



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Ein in Ungnade gefallener Manager verliert sein Gedächtnis, findet dafür aber seine leibliche Mutter: „La tribu – Rhythmus liegt in der Familie“ ist weder überraschend, noch sonderlich komisch, zeigt sich inhaltlich sehr genügsam. Pluspunkte sammelt die spanische Komödie aber durch die Tanzeinlagen, die besser aussehen als erwartet und gern mal an unerwarteten Stellen eingebaut werden.
5
von 10