Red Miller (Nicolas Cage) lebt mit seiner Freundin Mandy (Andrea Riseborough) ein friedliches und zurückgezogenes Leben in den Shadow Mountains. Doch dieses ist eines Tages jäh vorbei, als Jeremiah Sand (Linus Roache) die hübsche Frau erblickt. Getrieben von seinen Begierden und einem göttlichen Sendungsbewusstsein lässt der Sektenführer das Paar entführen, in der Erwartung, Mandy gefügig zu machen. Als er damit scheitert und auch noch verspottet wird, fackelt er nicht lange und tötet sie – vor Reds Augen. Rasend vor Zorn macht der sich am nächsten Tag auf den Weg, sich für seinen Verlust zu rächen und Jeremiah und seinen Klan zu bestrafen.
In den letzten Jahren hat sich der einst so gefeierte Nicolas Cage bekanntermaßen zu dem Treppenwitz der Filmgeschichte entwickelt. Ein Harlekin, der sich zielsicher immer die schlechtesten Rollen aussucht, um seine astronomisch hohen Schulden zu bezahlen und dabei seinem Hang zum Overacting ungestört nachgeben zu können. Wenn ein Film schon schlecht und nichtssagend ist, dann lasst uns wenigstens etwas Besonderes draus machen! Das funktionierte manchmal, die ausufernden mimischen Extravaganzen hoben doch das eine oder andere Werk hervor, das anderweitig vollkommene Zeitverschwendung gewesen wäre.
Eine Geschichte wie aus der Genreanleitung
Die Vermutung, Mandy wäre nur ein weiterer billig zusammengeschusterter Trash, die lag natürlich nahe. Vor allem bei einer solchen Geschichte: Ein Mann geht auf Rachetour, nachdem seine Freundin getötet wurde. Das ist so sehr Standardware im B-Movie-Bereich, dass es dafür nicht einmal mehr einen Drehbuch-Credit gibt. Und auch wenn der Film bei der Premiere auf dem Sundance Festival umjubelt wurde, ebenso den vielen anderen Filmfesten, wo er zu Gast war: An dem Inhalt lag das sicher nicht. Denn der variiert das Schema nur minimal durch Drogenelemente und religiöse Motive.
Der italienische Regisseur und Co-Autor Panos Cosmatos, der acht Jahre nach seinem Debüt Beyond the Black Rainbow seinen erst zweiten Film abliefert, zeigt dafür anderweitig seine Klasse. Er nimmt nicht nur das exzentrische Gebaren von Cage an, er baut drumherum eine Bühne, die geradezu maßgeschneidert für den Oscarpreisträger (Leaving Las Vegas) wirkt. Denn der Wahnsinn, den dieser immer wieder in seinen Auftritten zeigt, verschmilzt mit dem seiner Gegner, verleibt sich auch noch das Drumherum ein. Die Shadow Mountains, sie sind nicht einfach nur ein dreckiger Hinterwäldlerflecken, an dem so viele unmenschliche Horror-Verbrechen verübt werden. Sie sind ein mystischer Ort, bei dem nicht ganz klar wird, ob er Teil dieser Welt ist. Ob überhaupt irgendetwas real ist, was hier geschieht.
Ein unaufhaltsamer Albtraum
Von Anfang an ist Mandy deutlich surrealer, als es solche Rachestreifen in der Regel sind. Die Drogen, von denen später die Rede ist, sie haben längst zu wirken begonnen, noch bevor wir wissen, was eigentlich Sache ist. Vielleicht werden wir es auch nie wissen, denn der Albtraum schert sich nur wenig darum, wer ihm folgen kann. Er verlässt sich darauf, dass die Leute es auch so tun. Die Chancen dafür stehen gut, gewisse Vorlieben vorausgesetzt. Die können beispielsweise darin bestehen, die Belastbarkeit menschlicher Körper testen zu wollen, wenn diese hier verstümmelt werden, verbrannt, manchmal auch einfach nur explodieren. Es dauert allerdings eine Weile, bis der Film tatsächlich feste zuschlägt und zu einem ähnlichen infernalen Gemetzel wie Baskin wird.
Aber schon vorher zeigt das retrolastige Mandy hypnotische Qualitäten, die einen an die Leinwand oder den Bildschirm fesseln. Untermalt von einem wummernden Heavy-Metal-Trance des Anfang des Jahres verstorbenen isländischen Ausnahmekomponisten Jóhann Jóhannsson (Arrival, Sicario) steigen wir Stufe für Stufe tiefer hinab in einem Albtraum aus kaum zu identifizierenden Geräuschen, seltsamen Farben und bizarren Bildern, den nicht einmal die Wortfetzen zwischen Sprache und Schrei auseinanderreißen können. Aus dem es auch kein Entkommen gibt, sofern man sich nicht gerade versehentlich auf die Fernbedienung gesetzt hat. Selten wurde der Wahnsinn audiovisuell kunstvoller in Szene gesetzt als hier, ein fiebriger Blutrausch, der im Anschluss noch länger nachwirkt, selbst wenn – oder weil – man nicht weiß, was da eigentlich genau gerade geschehen ist.
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