Stell dir vor, Rothaarige würden von dem Rest der Menschheit verfolgt. Mehr noch, wer die falsche Haarfarbe hat, wird zusammengetrieben und brutal ermordet. Absurd, oder? Doch genau solche Szenen zeigte das Video Born Free von M.I.A. im Jahr 2010, um damit auf Völkermord in anderen Teilen der Welt aufmerksam zu machen – vor allem dem an Tamilen auf Sri Lanka, denen M.I.A. selbst angehört. Damit sorgte die Sängerin seinerzeit für jede Menge Kontroversen. Doch das war und ist sie gewohnt, sowohl auf der Bühne wie abseits davon.
Matangi/Maya/M.I.A. zeichnet den Weg der umstrittenen Musikerin nach, von der Kindheit auf dem asiatischen Inselstaat über die Flucht in die neue Heimat England bis zu ihren großen internationalen Erfolgen. Die Fülle an Material, das hier zusammengetragen wurde, ist beachtlich, ebenso die thematische Vielfalt. Biografische Szenen wechseln sich mit Darbietungen ihrer Musik ab. Dazu gibt es immer wieder Momente, in denen sie demonstriert, dass sie mehr sein wollte als nur eine Unterhaltungskünstlerin. Vielmehr nutzte sie ihren Ruhm dazu, auf Missstände aufmerksam zu machen – mit manchmal fragwürdigen Mitteln.
Aus dem großen Leben geschöpft
Der Dokumentarfilm, der beim Sundance Film Festival 2018 Premiere feierte, klappert auf diese Weise Jahrzehnte im Leben von Mathangi Arulpragasam ab, wie die Rapperin mit bürgerlichem Namen heißt. Vieles davon stammt aus dem Privatarchiv von M.I.A., was dem Werk eine sehr persönliche Note gibt. Allumfassend ist Matangi/Maya/M.I.A. dennoch nicht. Die Rekonstruktion eines Lebens und einer Persönlichkeit ist sprunghaft, löst die eigene Chronologie immer wieder auf, folgt auch thematisch keinem roten Faden. Impulsiv wirkt das Ergebnis, rastlos auch, als könne der Film keinen Moment ruhig bleiben.
Das passt natürlich wunderbar zu der Künstlerin selbst, die so sehr vor Energie brennt, dass die bloße Nähe schon zur Lebensgefahr wird. Es macht die Doku manchmal aber auch etwas anstrengend: Oft genug hat man den Eindruck, dass es hier in erster Linie um eine Selbstdarstellung geht, weniger um das Vermitteln nüchterner Fakten. Es fehlt dabei auch eine Einordnung von außen, eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt. Matangi/Maya/M.I.A. zeigt zwar Beispiele, wie die Sängerin von Medien angegriffen wurde, auf zum Teil absurde und fadenscheinige Weise. Aber sie sind so gewählt, dass kaum einer für die Gegenseite Partei ergreifen könnte.
Nur dann und wann schimmert durch, dass M.I.A. vielleicht doch nicht über jede Kritik erhaben ist. Der Auftritt beim Superbowl, wo sie ihren Mittelfinger in die Kameras streckte, endete als Skandal, der in den Medien ein gefundenes Fressen war. Doch was genau die Aktion eigentlich sollte, das wird nicht klar, auch weil die Künstlerin es selbst nicht sagen kann. Provokation um der Provokation willen, ohne tiefere Absicht? Gut möglich. So oder so ist Matangi/Maya/M.I.A. das Porträt einer ungewöhnlichen Frau, das vielleicht auch gerade wegen der Widersprüchlichkeit und der fehlenden Antworten fasziniert, selbst wenn man mit der Musik nicht wirklich etwas anfangen kann.
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