Mein Bruder heisst Robert und ist ein Idiot
© W-Film

Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot

Mein Bruder heisst Robert und ist ein Idiot
„Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ // Deutschland-Start: 22. November 2018 (Kino)

Robert (Josef Mattes) hält eigentlich nicht so wahnsinnig viel von der Schule. Er bringt sich den Kram lieber selbst bei, sucht eigene Antworten, anstatt die der anderen zu übernehmen. Dennoch erklärt er sich bereit, seiner Zwillingsschwester Elena (Julia Zange) bei den Vorbereitungen auf ihre mündliche Abschlussprüfung im Fach Philosophie zu helfen. Während sie gemeinsam im Kornfeld liegen, kommen sie auf die Idee, eine kleine Wette abzuschließen: Elena will noch vor dem Abi mit einem Mann schlafen. Schafft sie das, darf Robert sich etwas wünschen. Schafft sie es nicht, kriegt er ihr Auto, das sie zum Abi geschenkt bekommen soll.

Nicht nur Robert schaut an der Stelle ein wenig ungläubig rein, dem Publikum geht es ganz genauso. Wieso soll sich der Verlierer einer Wette etwas vom Gewinner wünschen? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn? Aber die Sache mit dem Sinn ist in Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot eine ganz eigene Sache. Sie denken beide kräftig darüber nach, die Geschwister. Über den Sinn. Über die Zeit. Doch so existenziell die Themen ihrer Gedanken sind, so seltsam fern von der Realität wirkt es, was sie da tun. Als stünden sie selbst außerhalb der Zeit. Ohne dabei zu stehen.

Gefangen in der Ewigkeit
Den Einstieg von Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot langsam zu nennen, wäre noch geschmeichelt. Es grenzt schon an eine Zumutung, was Regisseur und Co-Autor Philip Gröning da gedreht hat. Gefühlte Stunden liegen die zwei da im Feld, lesen aus Büchern, hauen sich Sätze um die Ohren, die genauso unnötig verklausuliert sind wie so mancher Philosoph. Das ist anstrengend, zumal die Geschwister dem fröhlichen Rezitieren keine eigenen Gedanken hinzuzufügen haben, von interessanten ganz zu schweigen. Es hat eher etwas von Namesdropping, was Gröning da betreibt. Und auch die schauspielerischen Leistungen tragen nicht unbedingt dazu bei, dass die zwei wie Menschen aus Fleisch und Blut wirken.

Was das Coming-of-Age-Drama in diesen Phasen rettet, das ist die gleichermaßen kunstvolle wie sinnliche Inszenierung. Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot gelingt es sehr schön, selbst ein bisschen mit der Zeit zu spielen, sie zu dehnen und zu verkürzen. Sie manchmal auch scheinbar aussetzen zu lassen, wenn wir hier jedes Zeitgefühl verlieren. Dazu gibt es große Aufnahmen von der Natur, von dem, was dort herumkriecht, irgendwo zwischen kitschiger Idylle und grotesker Doku. Und zumindest für eine Weile wird sie auch tatsächlich spürbar, die Subjektivität, mit der wir durch die Welt laufen und uns in ihr entdecken – selbst wenn das nicht genug ist, um gegen die aufkommende Langeweile anzukommen.

Der Abgrund hinter der Idylle
Erst später, für viele zu spät, beschließt Gröning, doch noch ein bisschen mehr aus dem Film machen zu wollen als einen trägen Pseudodiskurs im Sommermärchenland. Einiges nimmt er schon vorher vorweg, düstere Neigungen, die sich hinter dem unbekümmerten Gebaren der Geschwister verbergen. Manches kommt aber doch überraschend, wenn die Geschichte immer weiter eskaliert und man ein wenig hilflos danebensteht, ohne Ahnung, was zu tun ist oder was hier genau geschieht. Da mögen die beiden noch so viel miteinander quatschen und ihre Worte zelebrieren, spannender ist das, was nicht gesagt wird.

Als reiner Coming-of-Age-Film ist das Drama, welches auf der Berlinale 2018 Weltpremiere feierte, daher kaum geeignet. Er spricht weder am Anfang dem Publikum aus dem Herzen, wenn wir uns noch in der Nähe des Alltags aufhalten, noch gegen Ende, wenn alles aus dem Ruder läuft. Es ist eine vielmehr intellektuelle Annäherung an eine Jugend, die keinen Wegweiser mehr da. Darauf muss man sich einlassen können, ebenso auf die mit drei Stunden provokativ lange Laufzeit. Und tatsächliche Antworten auf die großen Fragen sollte ohnehin keiner erwarten, da warten eher nur noch mehr Fragen. Aber es bleibt doch eine interessante Erfahrung, die uns Gröning da beschert. Eine Erfahrung, die gleichzeitig böse und langweilig, nachdenklich und oberflächlich ist, mal mitreißend, dann wieder abstoßend oder sogar nervig.



(Anzeige)

„Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ hat nicht nur einen ungewöhnlichen Titel, der Film selbst ist es auch. Drei Stunden dauert das Drama um zwei heranwachsende Geschwister, die sich in philosophischen Sätzen verlieren, ohne etwas Konstruktives daraus zu machen, lullt ein mit einer idyllischen Zeitlosigkeit jenseits aller Realität und offenbart doch Abgründe im hier und jetzt.
6
von 10