Reise nach Jerusalem
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Reise nach Jerusalem

Reise nach Jerusalem
„Reise nach Jerusalem“ // Deutschland-Start: 15. November 2018 (Kino) // 17. Mai 2019 (DVD)

Alles gut, könnte nicht besser sein. Sie ist jetzt ja Freelancer, kann sich um mehrere Kunden gleichzeitig kümmern und ist dabei völlig frei. Das zumindest ist es, was Alice (Eva Löbau) ihren Altern und Freunden ständig erzählt. Die Wahrheit sieht aber anders aus. Eigentlich interessiert sich überhaupt niemand für die studierte Publizistin und Germanistin Ende 30. Auch die Ausbildung zur Online-Redakteurin hat nichts gebracht, sämtliche Anläufe, irgendwo einen Job zu bekommen, scheitern. Und so langsam wird das Geld knapp. Wo es geht, versucht sie Kosten zu drücken, kratzt die letzten Münzen zusammen, während sie sogar Gefahr läuft, ihre Wohnung zu verlieren.

Als Kind gehörte es zu vielen Geburtstagspartys dazu, die Reise nach Jerusalem. Die Teilnehmer laufen um einen Kreis aus Stühlen herum, sobald die Musik stoppt, muss sich jeder einen schnappen. Einfacher gesagt denn getan, denn es ist immer ein Stuhl zu wenig. Da wird geschubst und gedrängelt, schließlich will man am Ende ja gewinnen. Als Erwachsener wird man eher selten in die Verlegenheit kommen, bei diesem Spiel mitzumachen. Und auch in Reise nach Jerusalem dauert es sehr lange, bis der Film den Klassiker auskramt. So lange, dass man zwischenzeitlich schon die Hoffnung aufgegeben hat, die Leute beim Herumhampeln zu sehen.

Ein Scheitern in jeder Situation
Im übertragenen Sinn findet das aber schon viel früher statt. Ein ums andere Mal versucht Alice, einen Platz für sich in dieser Welt zu bekommen. Ein uns andere Mal scheitert sie daran. Vor allem die klägliche Suche nach einem Job steht dabei im Mittelpunkt, wenn sämtliche Bemühungen ins Leere laufen. Dabei ist sie gar nicht anspruchsvoll, würde von Berlin in ein kleines Kuhkaff ziehen, um endlich wieder arbeiten zu dürfen. Auch vor Aushilfsjobs schrickt sie nicht zurück, die eigentlich weit unter dem sind, was sie mit ihrem Studienabschluss zu tun in der Lage wäre. Wenn sie nur dürfte. Wenn sie einer wollte.

Reise nach Jerusalem zeigt nicht nur, wie eine Geisteswissenschaftlerin an den Bedingungen des Arbeitsmarktes verzweifelt. Der Film führt einem ganz unabhängig von dem konkreten Job vor Auge, wie leicht es ist, in die Arbeitslosenfalle zu tappen. Je länger du da drin bist, umso schwieriger wird es, wieder herauszukommen. Selbst die Schlagworte, mit denen an dieser Stelle reflexartig Betroffene niedergeprügelt werden – Flexibilität! –, bringen am Ende nichts. Was Alice falsch gemacht hat, dass sie sich nicht durchsetzen konnte, das wird nicht klar. Ob sie überhaupt etwas falsch gemacht hat oder es nicht doch einfach nur Pech war.

Persönlich statt aussagekräftig
Lucia Chiarla, die hier das Drehbuch schrieb und ihr Debüt als Regisseurin vorlegt, geht es dann auch gar nicht so sehr darum, die gesellschaftliche Lage genau zu analysieren. Dafür bleibt Reise nach Jerusalem zu oberflächlich, hält sich an mehreren Stellen zu sehr mit Klischees auf – auch wenn sie diese aufs Korn nimmt, siehe die unsinnigen Aktionen beim Arbeitsamt und bei der Fortbildung. Es ist noch nicht einmal so, dass sie das schöne Bild des titelgebenden Kinderspiels wirklich einsetzen würde. Wer die Leute sind, die den Platz bekommen, den Alice gerne hätte, das erfährt man hier nie.

Stattdessen konzentriert sich die italienischstämmige Filmemacherin komplett auf den persönlichen Aspekt der Geschichte. Wir folgen der Protagonistin, wie sie von einer Niederlage in die nächste stolpert, wie Demütigung um Demütigung ihr Leben bestimmt. Schön ist das nicht, auch wenn Reise nach Jerusalem manchmal ein wenig Humor einbaut. Es wird sogar zunehmend bitterer, verzweifelter auch. Und auch wenn Alice ganz gerne mal zu einer lächerlichen Figur degradiert wird, so fällt es doch nicht schwer, Mitgefühl für jemanden zu entwickeln, der so offensichtlich nicht für diese Welt gewappnet ist und teilweise vom Pech verfolgt wird – auch weil Eva Löbau wunderbar darstellt, wie hier jemand um seine Zukunft und die Würde kämpft.



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„Reise nach Jerusalem“ zeigt eine Frau Ende 30, die in die Arbeitslosigkeit rutscht und trotz großer Anstrengungen nicht wieder herausfindet. Das ist zwar manchmal humorvoll, gerade auch in den peinlichen Situationen der Protagonistin. Es geht aber doch auch zu Herzen, wie hier jemand verzweifelt um seine Existenz kämpft und dabei nie einen Platz für sich findet.
7
von 10