RocKabul
RocKabul
„RocKabul“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

So ganz sicher kann man sich dabei nie sein. Ist das jetzt kurios? Traurig? Erschreckend? Immer wieder führen uns Dokumentarfilme vor Augen, wie wenig selbstverständlich es ist, was wir hier für selbstverständlich halten. Wie sehr in anderen Ländern Leute dafür kämpfen müssen, an und für sich völlig unspektakulären Tätigkeiten überhaupt nachgehen zu dürfen. The Poetess erzählte die Geschichte der saudi-arabischen Dichterin Hissa Hilal, die als einzige Frau in das Finale der TV-Show Million’s Poet kommt, bis zur Unkenntlichkeit verschleiert natürlich. In Raving Iran folgten wir zwei Techno-DJs, die im persischen Land im Untergrund ihre Musik spielen. Nun steht Afghanistan auf dem filmischen Reiseprogramm. Dort ist es die Heavy-Metal-Band District Unknown, die sich mit Verboten auseinandersetzen muss.

Wobei es gar nicht mal so sehr das Genre ist, das den Jungs zum Verhängnis wird. Allgemein haben die Taliban nichts für Musik übrig, halten das für westliches Teufelszeug, welches unterbunden werden muss. Notfalls mit Gewalt. Anders als bei den obigen Beispielen stellt uns RocKabul ein Land vor, das nicht von offizieller Seite aus das künstlerische Treiben verbietet oder erschwert. Vielmehr ist Afghanistan ein gespaltenes Land, aufgerieben zwischen den durch die USA angeführten Truppen und den erzkonservativen Terroristen, die jegliche Abweichung ihrer Norm schwer bestrafen wollen.

Ein gefährlicher Traum
Das geht natürlich auch an den Mitgliedern von District Unknown nicht spurlos vorbei. Immer wieder spielen Sicherheitsbedenken in ihre Auftritte hinein. Sollen sie Masken tragen, damit sie von den Taliban nicht identifiziert werden können? Sollen sie Interviews geben, um bekannter zu werden, so aber gleichzeitig riskieren, zur Zielscheibe zu werden? Und ist es wirklich eine gute Idee, ein Musikfestival zu organisieren, was von den religiösen Ereiferern als Provokation aufgefasst werden könnte? Schließlich hat es zuvor mehrere Jahrzehnte schon keins mehr gegeben, aus gutem Grund.

RocKabul ist daher das Porträt einer Band, die in einer denkbar schwierigen Situation gefangen ist. Auf der einen Seite will sie natürlich größer werden, immer mehr Menschen ansprechen, will mit ihnen ihre Liebe zur Musik teilen. Gleichzeitig darf sie aber auch nicht zu groß werden und zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Denn das bedeutet eine konstante Lebensgefahr. Wo sich andere Nachwuchsmusiker allein auf ihre Kunst konzentrieren und sich zu verbessern besuchen, da hat das hier immer auch eine politische Komponente.

Ein Film über Land und Leeute
Spannend ist die Doku, die hierzulande unter anderem auf dem Filmfest Braunschweig 2018 zu sehen ist, auch durch die zeitliche Komponente. Über Jahre hinweg hat der australische Regisseur Travis Beard, selbst ein Musiker, District Unknown begleitet. Er war bei den eher unrühmlichen Anfängen dabei, als der von ihnen produzierte Krach selbst für Metal-Fans kaum als Musik durchginge. Er begleitet sie bei ihren großen Momenten, etwa dem Auftritt bei besagtem Festival. Und er verabschiedet sich Jahre später, als die Bandmitglieder ihrem Heimatland letztendlich doch Lebewohl sagen, um im Westen ein anderes, besseres Leben zu suchen.

Dazu gibt es immer wieder Einblicke in den Alltag Afghanistans, der über Jahre hinweg von den USA dominiert wurde. Erzählt von Menschen, die nur Spielball waren zwischen westlichen Interessen und gewaltsamen Traditionen. Das macht den Film selbst für Zuschauer interessant, die eher weniger mit der speziellen Musikrichtung anzufangen wissen. Denn die ist hier in erster Linie Ausdruck einer jugendlichen Sehnsucht und Selbstsuche, für die es keinen Platz gibt. Und das ist etwas, in dem sich doch sehr viel mehr wiederfinden können, als es das kuriose Szenario zunächst verspricht.



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Wenn uns „RocKabul“ die einzige Heavy-Metal-Band Afghanistans vorstellt, dann ist das nicht nur das Porträt einer Gruppe von Musikfans. Gleichzeitig zeigt die Dokumentation ein Land im Wandel und berichtet von den Gefahren, denen sich die Jungs hier aussetzen mussten, um ihren Träumen nachzujagen.